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Peter Skalicky ist seit 1991 Rektor der Technischen Universität (TU) Wien. Er studierte dort Technische Physik bevor er 1973 Außerordentlicher Professor für Kristallphysik an der TU Wien wurde. 1989 bis 1990 war er Dekan der Technisch-Naturwiss- enschaftlichen Fakultät. Neben seiner Funktion als TU-Rektor war er zwischen 1995 und 1999 Vorsitzender der Rektorenkonferenz.

Foto: APA/Roland Schlager

"Eine gute Ausbildung bietet einen guten Start im Leben - Krise hin, Krise her", meint Peter Skalicky, Rektor der Technischen Universität (TU) Wien. Dass der Stellenwert von Technikern und Naturwissenschaftern in Österreich, etwa im Gegensatz zum angelsächsischen Raum, immer noch zu gering ist, sei bedauernswert. Trotzdem hätten Absolventen mit ihrem Diplom an der TU ausgezeichnete Karrierechancen in der Hand, auch im Ausland. Denn Techniker seien durch ihre erstklassige Problemlösungskompetenz in vielen Bereichen gefragt und würden auch Österreichs Regierung und Politik ganz gut tun, meint er im Gespräch mit derStandard.at.

derStandard.at: Sie sind Rektor der TU Wien - eine Uni, die den Ruf hat, anspruchsvoll und aufwändig zu sein. Warum sollte sich ein Studienanfänger ein solches Studium antun?

Skalicky: Das ist absolut richtig, die Ausbildung ist aufwändig und eine Herausforderung. Man könnte fast sagen eine Mutprobe. Aber wer sie schafft, bekommt mit seinem Diplom an der TU Wien eine erstklassige, international anerkannte, wissenschaftliche Berufsvorbildung und hat gute Karrierechancen. Das lohnt sich allemal. Wer ein Studium bei uns macht, der macht eine gute Investition in sein Leben.

derStandard.at: Kann man über die Karrierechancen von TU-Absolventen eine generelle Aussage treffen oder sind die Karriereaussichten stark vom jeweiligen Studium abhängig?

Skalicky: In einen Topf werfen kann man die einzelnen Studien sicher nicht. Natürlich sind die Jobaussichten unterschiedlich: Informatiker werden sehr stark nachgefragt, in der Architektur haben wir zu viele Studierende. Ich kann mir nicht vorstellen, dass alle selbstständige Architekten werden können. Aber unsere Nachforschungen haben ergeben, dass auch die hohe Zahl der Absolventen in der Architektur ganz gut auf dem Arbeitsmarkt zu Recht kommt. Sie dürfen ihr Berufsfeld eben nicht zu eng sehen.

derStandard.at: Welche TU-Studien haben derzeit die besten/schlechtesten Karriereaussichten?

Skalicky: Ich muss einräumen, dass wir unsere Absolventen noch nicht ausreichend genau in ihrem späteren Lebensweg verfolgen. Wir sind aber dabei, das in verstärktem Maße zu tun, etwa in Form des Career-Centers. Wir fühlen uns schon verantwortlich ein gewisses Feedback einzuholen, um herauszufinden, was TU-Absolventen mit ihrem Studium machen.

derStandard.at: Trotzdem gibt es immer wieder Studienempfehlungen und Rankings, welche Studien derzeit gefragt sind.

Skalicky: Das würde ich grundsätzlich nicht tun. Die TU bietet in den Fächern, die typisch für eine technische Hochschule sind, erstklassige Ausbildungen an. Dass es konjunkturell Unterschiede gibt, ist ganz sicher. Trotzdem können wir jetzt nicht sagen, weil im Automobilsektor ein Nachfragerückgang eingetreten ist, lohnt es sich nicht, Maschinenbau zu studieren. Im Gegenteil: Jetzt lohnt es sich erst recht.

derStandard.at: Wie sieht es mit den Karrierechancen von TU-Abgängern international aus?

Skalicky: Ausgezeichnet. Der überwiegende Teil der Studierenden, die bei mir eine Dissertation geschrieben haben, sind im Ausland und haben glänzende Karrieren gemacht - übrigens, die im Inland auch.

derStandard.at: Also gibt es doch noch Absolventen, die im Inland bleiben?

Skalicky: Ja, ich bin sehr zufrieden! Viele haben Karriere in der Industrie oder Wissenschaft gemacht. Von einer erfolgreichen Karriere als Professor kann man dann sprechen, wenn einem die eigenen Absolventen einen Job anbieten.

derStandard.at: Trotzdem hört man immer wieder, dass viele österreichische Techniker ins Ausland gehen.

Skalicky: Was sollten wir dagegen tun? Wir können ja nicht die Ausbildungsqualität senken, damit die Absolventen auf dem internationalen Arbeitsmarkt schlechtere Chancen haben. Im Gegenteil, wir sind stolz darauf. Wir wollen in einer Liga der besten europäischen Hochschulen spielen und das bei einem viel geringeren Budget. Und das gelingt uns.

derStandard.at: Ist der Stellenwert der Wissenschafter und Techniker in Österreich zu gering?

Skalicky: Ja, absolut. Leider sind die gesellschaftliche Akzeptanz und das Ansehen von Technikern und Naturwissenschaftern in Österreich zu gering. Das ist im angelsächsischen Raum ganz anders. Das äußert sich unter anderem darin, dass in Bereichen wie Elektrotechnik, Maschinenbau und Informatik die Frauen auslassen. Vielleicht aus dem Grund, dass der Ausbildung zum Ingenieur immer noch ein „Blue-Collar-Image" mit relativ niedrigem Sozialprestige anhängt. Das bessert sich langsam, weil man sieht, dass Ingenieure und Naturwissenschafter für die Innovationskraft eines Landes unverzichtbar sind.

Eine Volkswirtschaft, die in der Innovation erlahmt, verarmt, gleichgültig wie fleißig die Bevölkerung ist. Diese Innovation gelingt nur, wenn man Leute anstellt, die gelernt haben, Probleme zu analysieren, zu lösen und Innovation hinzuzufügen. Auch die österreichische Industrie setzt zu wenige Techniker und Naturwissenschafter ein.

derStandard.at: Würden Sie auch gerne mehr Techniker in der Politik sehen? Deutschland macht es mit Kanzlerin Angela Merkel ja vor.

Skalicky: Angela Merkel bewundere ich sehr. Sie hat immerhin in der DDR Atomphysik betrieben und war nicht in der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Da gehört schon Mut und persönliche wie intellektuelle Redlichkeit und Standfestigkeit dazu. Der Regierung und Politik tun ein paar Naturwissenschafter und Techniker sicher sehr gut. Ich wünsche mir allerdings keine Politik, die nur aus Technikern besteht.

derStandard.at: Derzeit haben Absolventen aus Wissenschaft und Technik glänzende Jobaussichten. Sind diese krisensicher?

Skalicky: Krisensicher ist gar nichts. Allerdings ist es immer noch so, dass eine gute Ausbildung einen guten Start im Leben bietet - Krise hin, Krise her. Die Entscheidung für ein technisch-naturwissenschaftliches oder Ingenieurstudium wird durchaus sehr überlegt. So fällt auf, dass nach Einführung der Studiengebühren die Anfängerzahlen nicht wesentlich zurückgegangen sind. Ein Hinweis dafür, dass sich jene Leute, die ein Studium bei uns wählen, das ordentlich überlegt haben.

derStandard.at: Warum sind gerade Absolventen technischer Studien auch außerhalb ihres Kernbereichs so gefragt?

Skalicky: Durch ein technisch-naturwissenschaftliches Studium haben unsere Studenten gelernt, analytisch zu denken und weisen eine erstklassige Problemlösungskompetenz auf. Das fachliche Wissen hat auch eine Art Katalysatorwirkung. Beispielsweise ist es unmöglich alle wichtigen Soft-Skills, die man benötigt, pflichtig in den Studienplan aufzunehmen. Dann müssten wir Mathematik, Naturwissenschaften oder Mechanik zurückdrängen und das wäre nicht gut. Aber eine technisch-naturwissenschaftliche und Ingenieurausbildung ist auch eine gute Basis für den Erwerb von Soft-Skills. Zum Beispiel Englisch: Wir setzen praktisch voraus, dass unsere Studenten Englisch können.

derStandard.at: Sie haben gerade die "Soft-Skills" angesprochen. Wie wichtig sind diese im technischen Bereich?

Skalicky: Soft-Skills sind sehr wichtig. Man kann allgemein feststellen, dass Techniker und Naturwissenschafter es oft schwer haben, in die Führungsebenen vorzukommen, wo oft Juristen oder Betriebswirte sitzen. Vielleicht auch aus dem Grund, weil sie ein gewisses Defizit an Soft-Skills wie Präsentationstechnik, Kommunikation oder Sprachenkenntnisse haben. Wir bieten diese auch an und weisen auf deren Wichtigkeit hin. Ihr Erwerb bleibt aber eine Holschuld.

derStandard.at: Würden Sie einen Auslandsaufenthalt im Rahmen des Studiums empfehlen?

Skalicky: Ich empfehle einen Auslandsaufenthalt unter allen Umständen. Das sehen nicht alle so: Es gibt Stimmen, die sagen, dieser verlängere nur die Studienzeit und koste eine Menge Geld. Ein relativ hoher Prozentsatz der TU geht während ihres Studiums an eine andere Universität, in einen anderen Kulturraum und bereut das nicht. Das erweitert sehr wesentlich den Horizont.

derStandard.at: Als Rektor sind Sie selbst derzeit in einem Beruf, der mehr Manager- als Technikerfähigkeiten abverlangt. Würden Sie noch einmal Physik studieren?

Skalicky: Das mit den Managerfähigkeiten stimmt, das hat sich allerdings im Laufe der Zeit geändert. Als ich das erste Mal zum Rektor gewählt wurde, war das ein reiner Repräsentationsjob. Das ist jetzt nicht mehr so. Physik studiert zu haben, hilft mir sehr. Das würde ich jederzeit wiederholen. Einige der befriedigendsten Erlebnisse in meinem Berufsleben hängen mit physikalischen Problemen und deren Lösung zusammen. Physik ist eine sehr brauchbare und universell einsetzbare Ausbildung. (Ursula Schersch, derStandard.at, 24.03.2009)