Zur Person:
Günter Gmeiner, Jahrgang 1966, studierte an der TU Wien Technische Chemie und hat eine Ausbildung in Dopinganalytik an der Deutschen Sporthochschule Köln. Er baute 1999 das Dopingkontroll-Labor in Seibersdorf als Projektleiter mit auf und ist seit 2005 gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Drogen- und Dopinganalytik. Seit 2002 ist er Leiter des Dopingkontroll-Labors des Geschäftsfeldes „Chemical Analytics" der Seibersdorf Labor GmbH. Zusätzlich wurde Gmeiner für eine Periode von zwei Jahren (2010 bis 2012) zum Präsidenten der Weltvereinigung der Anti-Doping-Wissenschaftler (WAADS) gewählt.

Foto: Seibersdorf Laboratories GmbH

Für die Arbeit im Labor sind unterschiedliche Analysegeräte wie zum Beispiel Massenspektrometer notwendig.

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Messproben in einem Analysegerät: Die Labormitarbeiter kennen nur die Codes, nicht aber die Namen der Sportler.

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Fällt die A-Probe positiv aus, hat der Sportler das Recht, dass auch die bis dahin versiegelte und eingefrorene B-Probe analysiert wird.

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Zwei handgroße Fläschchen mit Urinproben, darauf ein Pickerl mit einem siebenstelligen Code, verpackt in eine weiße Styroporschachtel. Vielmehr ist es nicht, was Dopinganalytiker Günter Gmeiner an Information ins Labor geliefert bekommt. "Wir wissen außerdem das Geschlecht, die Sportart, den genauen Zeitpunkt der Probe, welche Medikamente der Sportler einnimmt und - im Falle eines Wettkampfes - um welche Veranstaltung es sich handelt", sagt Gmeiner. Der studierte Chemiker ist Leiter des Dopingkontroll-Labors in Seibersdorf, das seit 2002 als einzige heimische und eine von 35 Einrichtungen weltweit von der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) für die Dopinganalyse akkreditiert ist.

B-Probe wird eingefroren

Die Aufgabe im Labor beginnt damit, die eingetroffenen Urin- und Blutproben auf Unversehrtheit zu untersuchen und sie zu registrieren. Eines der Fläschchen wird als so genannte A-Probe geöffnet, der zweite Behälter als B-Probe eingefroren und aufbewahrt. "Die A-Probe wird mit bis zu neun unterschiedlichen Analyseverfahren untersucht, je nachdem, welche Informationen der Auftraggeber braucht", erklärt Gmeiner. Entsteht bei dieser ersten Übersichtsanalyse ein Verdacht auf illegale Substanzen, wird der Test wiederholt. Verläuft dieser positiv, berichtet das Labor nicht nur an den Auftraggeber, sondern auch an die Internationale Anti-Doping-Agentur (WADA) und den betreffenden internationalen Verband. "Damit ein Ergebnis nicht einfach unter den Tisch fallen kann", so Gmeiner.

Trainingskontrolle bei der EM 2008

Eine Dopingkontrolle wird üblicherweise innerhalb von zehn Tagen berichtet. Bei großen Sportveranstaltungen, bei denen die Analysen bis zu Beginn des nächsten Bewerbes vorliegen müssen, kann ein Bericht schon nach 24 Stunden fertig sein. Gmeiner und sein Team waren zum Beispiel bei der Fußball-Europameisterschaft 2008 für die Trainingskontrolle zuständig. Während der Wettkämpfe arbeitete der 44-Jährige vom zweiten Austragungsland Schweiz aus.

B-Probe meist nur bei Epo

Im Falle eines positiven Tests kann der Sportler darauf bestehen, dass auch die eingefrorene B-Probe analysiert wird. "Ob das in Anspruch genommen wird, hängt von der Substanz ab", sagt Gmeiner, "bei Anabolikaproben wird es selten verlangt, bei Epo (das Hormon Erythropoetin; Anm.) dagegen meistens, weil hier das Gerücht kursiert, dass es mit der Zeit abbaut." Direkten Kontakt mit dem Sportler hat der Burgenländer nur, wenn dieser sein Recht wahrnimmt und bei der Analyse der B-Probe dabei ist. Oder wenn der Wissenschafter als Experte vor der Rechtskommission der Nationalen Anti-Doping-Agentur NADA seine Analysen verteidigen muss.

2,2 Prozent positive Tests

Von den rund 6.000 untersuchten Proben im Jahr 2009 wurde rund ein Viertel von der NADA in Auftrag gegeben, der Rest stammte aus Nachbarländern wie Slowenien, Ungarn oder der Slowakei. 2,2 Prozent der Tests waren positiv, was ungefähr dem globalen Durchschnitt entspricht. Davon, Spitzensportler einem generellen Dopingverdacht zu unterwerfen, hält Gmeiner nichts. Als Wissenschafter zählen für ihn nur die nachgewiesenen Fakten; die Leistung von Sportlern bewundere er nach wie vor. Dass jedes Ergebnis seiner Arbeit einen folgenschweren Skandal auslösen kann, dürfe im Labor keine Rolle spielen. "Ich sehe das pragmatisch: Jede Probe ist mit einem anonymen Code benannt."

Das Gefühl, hinterherzuhinken

Laut WADA sind weltweit fast 60 Prozent der gefundenen illegalen Wirkstoffe Anabolika. Zur Liste der rund 300 verbotenen Substanzen für Sportler kommen ständig neue dazu. Gmeiner räumt ein, naturgemäß manchmal das Gefühl zu haben, etwas hinterherzuhinken. Was wird konkret getan, um mit dem ständigen Fortschritt mithalten zu können? "Wir entwickeln Methoden, um Substanzen nachzuweisen von denen wir Informationen haben, dass sie verwendet werden und leistungssteigernd sind", erklärt Gmeiner. "Üblicherweise bekommt man einen Tipp und versucht darauf hin, ein Analyseverfahren zu entwickeln, dass einen eindeutigen Nachweis zulässt." Es gibt aber auch andere Möglichkeiten, Dopingsündern auf die Spur zu kommen: Die Forscher entwickeln zum Beispiel auf Basis von Vermutungen Tests, die tatsächlich zu positiven Fällen führen können. "Weil die Sportler geglaubt haben, dass es für gewisse Substanzen noch keinen Nachweis gibt", so der Wissenschafter. 

Mohn und Tee als "Dopingfallen"

So genannte "Dopingfallen" wie Nahrungsergänzungsmittel, bestimmte asiatische Teesorten oder Mohnkuchen sind nicht nur Gerüchte: Sie enthalten Substanzen, die auf der WADA-Verbotsliste stehen. „Wenn Mohn einen gewissen Produktionsprozess durchläuft, kleben teilweise noch der Mohnsaft oder Kapselreste, in denen das verbotene Morphin enthalten ist, auf den Samen", erklärt Gmeiner. Zwei Stück einer Mohntorte könnten theoretisch für einen positiven Dopingtest reichen. Ob das nachgewiesene Morphin tatsächlich aus dem Kuchen oder anderswoher stammt, lasse sich aber belegen, zum Beispiel indem man nach Begleitalkaloiden sucht.

Kein Doping-Jäger

Laut NADA kommt es immer wieder vor, dass Sportler bewusst dopen und sich dann auf "Dopingfallen" wie Mohnkuchen oder Tee herausreden wollen. Und auch sonst gebe es "die tollsten Erklärungen", weiß Gmeiner und erzählt ein Beispiel: "Meine Schwiegermutter wünscht sich Enkelkinder und hat mir deshalb in das Frühstücksmüsli Testosteron gemischt." Als Doping-Jäger will der Burgenländer übrigens nicht bezeichnet werden. Was ihn daran stört? "Ich bin Leiter eines Dopingkontroll-Labors und Dopinganalytiker. Das ist eine hochprofessionelle Labortätigkeit und hat absolut nichts mit Jagd zu tun." (derStandard.at, 20.4.2010)