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Bisher gaben die Isländer den Briten die Hauptschuld für die Krise. Per Referendum wurden im März Rückzahlungen an britische Banken abgelehnt. Nun zeigt sich: Auch eigene Politiker machten Fehler.

Foto: APA/EPA/S Olafs

Ein brisanter Bericht zu den Schuldigen des Island-Zusammenbruchs stellt die alte Machtelite an den Pranger. Kredite sollen ohne Sicherheiten auf Auslandskonten einflussreicher Isländer geflossen sein.

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Stockholm/Reykjavík - Am Montag hat eine unabhängige Kommission den lange erwarteten Untersuchungsbericht vorgelegt, der die Verantwortlichen für den finanziellen und wirtschaftlichen Zusammenbruchs Islands im Herbst 2008 nennen soll. Hinzu kommt ein weiterer Bericht, in dem über das ethische Handeln der Betroffenen geurteilt wird.

Während viele Isländer bislang vor allem die britische Regierung für den Zusammenbruch ihres Landes verantwortlich machten, weil London 2008 die Gelder der isländischen Kaupthing-Bank über ein Antiterrorgesetz kurzfristig einfrieren ließ, legt der Report nahe, dass die alte isländische Macht-Clique selbst einen wesentlichen Teil dazu beitrug, aus dem einst reichen Land ein bettelarmes zu machen. Verantwortlich seien Schlüsselfiguren aus der konservativen Unabhängigkeitspartei, die das Land seit der Unabhängigkeit 1945 prägte, hieß es in einer Pressekonferenz der Ermittlergruppe. Dazu zählen der frühere Premier- und Wirtschaftsminister, der Notenbankchef und Topmanager der drei großen Banken, die international in Hochrisikospekulationen verwickelt waren und einen Schuldenberg aufbauten, der das BIP Islands zehnmal überstieg.

Kredit vergessen

Als besonders fatal gilt: Die Notenbank hat laut Bericht einen 500 Mio. Dollar Kredit der Bank for International Settlements (BIS) in Basel verschlampt. Angestellte vergaßen die Abmachung zu verlängern. Bereits 2007 und 2008 sollen die großen isländischen Banken ein Drittel ihrer Kredite an Empfänger überwiesen haben, die bereits hoch verschuldet waren, und offenbar keine Rückzahlungsmöglichkeiten hatten. Mit den Geldern sollten offiziell neue Wertpapiere aufgekauft werden. Ein Teil davon verschwand auf Auslandskonten. Personen aus den Chefetagen der Banken und Wirtschaft hätten sich bereichert, wird unterstellt.

Der Zentralbankchef Islands, David Oddsson, habe zudem im April 2008 ein Hilfsangebot anderer europäischer Zentralbanken abgelehnt. "Hauptgrund für den Crash war, dass die Banken zu schnell wuchsen. "Die größte unserer Banken verzwanzigfachte sich in sieben Jahren durch die unkontrollierte Deregulierung" , sagte Ermittlerin Sigirdur Benediktsdottir. Weil die Zentralbank kaum eigene Währungsreserven hatte, brach in der Folge die isländische Krone zusammen.

Vor allem Zentralbankchef Oddsson, heute Chefredakteur einer der großen Zeitungen im Lande, bekommt damit besonders viel Schuld zugeschrieben. Des Weiteren wird Ex-Regierungschef Geir Haarde, Finanzminister Arni Mathiesen und dem Chef der Finanzaufsichtsbehörde teils grob fahrlässiges Verhalten vorgeworfen. Diese könnte nun eine Richtung in einem Volkstribunal erwarten.

Denn auch das Volk liest den über 2000 Seiten starken Bericht, der in allen Buchläden des Landes erhältlich sein soll. Man komme mit den Vorbestellungen gar nicht mehr mit, sagt der Verlagsmitarbeiter Ingdor Asgeirsson. Der Parlaments-Bericht sei schon vor dem Druck ausverkauft gewesen. Neben Straßenkundgebungen formierten sich Schauspieler, um den Bericht auf der Bühne des Stadttheaters von Reykjavik ohne Unterbrechung vorzulesen. Bis Freitag soll die Gratisvorstellung dauern. (André Anwar, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.04.2010)