Bild nicht mehr verfügbar.

Österreich bleibt bei der Verfolgung von NS-Verbrechern hinter Deutschland, den USA, Serbien, Italien und Polen zurück.

Foto: EPA/NORA KREVNEVA

Mutmaßliche ehemalige NS-Verbrecher haben es in Österreich immer noch leichter als in vielen anderen Ländern. Dem aktuellen Jahresbericht des Simon-Wiesenthal-Zentrums nach gibt es bei deren strafrechtlicher Verfolgung und dem Untersuchen von Nazi-Kriegsverbrechen weiterhin lediglich "unzureichende und/oder erfolglose Anstrengungen". Das Zentrum hat diese und etwaige erreichte Verbesserungen der einzelnen Staaten mit einem Schulnotensystem von A (beste Note) bis F (schlechteste Note) bewertet. Österreich hat ein "Ausreichend" (D) erhalten, im Gegensatz zu Deutschland, das erstmals ein "Sehr gut" (A) erhielt.

"Failed to achieve any practical results"

Österreich bleibt damit hinter Deutschland, den USA, Serbien, Italien und Polen zurück. Die Note D, die Österreich bekommen hat, begründet sich laut Wiesenthal-Zentrum im Wortlaut wie folgt: "Those countries which have ostensibly made at least a minimal effort to investigate Nazi war criminals but which failed to achieve any practical results during the period under review. In many cases these countries have stopped or reduced their efforts to deal with this issue long before they could have and could achieve important results if they were to change their policy."

Die Schuld daran sieht Efraim Zuroff, der Leiter des Jerusalemer Zentrums, im Gespräch mit derStandard.at bei der österreichischen Politik. Diese habe jahrelang verzögert und abgewartet, der Umgang mit mutmaßlichen ehemaligen NS-Verbrechern sei immer noch "unfassbar", so Zuroff. Und doch hat der Zentrumsleiter eine vage Hoffnung auf eine totale Wende in Österreichs Politik bezüglich der Verfolgung von NS-Verbrechen. Unbemerkt von der Öffentlichkeit habe das Justizministerium nämlich Anfang des Jahres eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich dem Thema umfassend widmen soll.

"Ich hätte Österreich nur ein F gegeben"

"Mir wurde in einer Stellungnahme des Ministeriums signalisiert, dass es um eine Aufarbeitung aller bekannten Fälle geht", so Zuroff zu derStandard.at. Das sei auch mit der Grund gewesen, Österreich beim aktuellen Bericht die Note D zu geben. "Ich hätte Österreich nur ein F gegeben", so Zuroff. Allerdings bleibt der israelische Forscher skeptisch: "Ich glaube den Sinneswandel erst, wenn ich Ergebnisse sehe. Es gibt immer eine Lücke zwischen Ankündigung und tatsächlicher Umsetzung". Allerdings: Sollte die Arbeitsgruppe tatsächlich umfassend ermitteln und Ergebnisse erreichen, könnte das laut Zuroff "ein entscheidender Schritt vorwärts" sein.

Im Justizministerium bestätigt man derStandard.at, dass eine entsprechende Arbeitsgruppe Anfang 2010 eingerichtet wurde. Bei dieser"Arbeitsgruppe zur Ausforschung mutmaßlicher NS-Täter"gehe es etwa darum, Anhaltspunkte für den Aufenthalt von Gesuchten zu sammeln und neue Fälle aufzudecken. In der Arbeitsgruppe sitzen Vertreter des Ministeriums und der Forschungsstelle für Nachkriegsjustiz. Dass es um eine "Aufarbeitung aller bekannten Fälle" geht, wie von Zuroff gefordert, kann Katharina Swoboda, Sprecherin des Justizministeriums, so jedoch nicht bestätigen. Auch in der Aufarbeitung von NS-Verbrechen habe man sich an geltendes österreichisches Recht zu halten, und bei einigen Fällen sei eine Verfolgung deshalb nicht möglich.

Fall Ašner als Kernfrage

So widersprächen etwa im Fall Milivoj Ašner, der vom Wiesenthal-Zentrum immer wieder als Begründung für schlechte "Noten" Österreichs bei der Nazi-Bekämpfung genannt wird, Gutachten der Auslieferung. Ašner wurde 2005 in Kroatien wegen Kriegsverbrechen angeklagt, woraufhin er nach Österreich floh - wo er sich immer noch aufhält. Ašner war im Zweiten Weltkrieg der Chef der Ustascha-Polizei und mutmaßlich an Deportationen beteiligt.

Aus dem Justizministerium heißt es dazu, man könne nicht jemanden verurteilen, "nur weil es international erwünscht ist". Die Gutachten, die Ašner Demenz bescheinigen und somit seine Auslieferung verhindern, seien von internationalen Experten erstellt worden und somit zu beachten.

Auf Platz zwei

Dass das Wiesenthal-Zentrum von Österreich erwartet, im Fall Ašner die Auslieferung zu ermöglichen, daran lässt Zuroff keinen Zweifel - steht der Kroate doch auf Platz zwei der Liste mit den meistgesuchten NS-Kriegsverbrechern, die zeitgleich mit den vergebenen Noten für die einzelnen Länder vom Wiesenthal-Zentrum veröffentlicht wurde. "Ob diese Arbeitsgruppe wirklich eine Veränderung bringt, werden wir sehen", so Zuroff.

Der Bericht im vollen Wortlaut wird im Herbst 2010 veröffentlicht, an der Note D würde aber auch eine erfolgreiche Arbeitsgruppe nichts mehr ändern, weil der Erfassungszeitraum bereits abgeschlossen ist - dafür aber vielleicht an den Noten in den kommenden Jahren. (Anita Zielina,derStandard.at, 13.4.2010)