Wien - Im Bezirksgericht Wien-Josefstadt ist am Donnerstag ein Prozess gegen drei Polizisten - zwei männliche und eine Beamtin - eröffnet worden, die im Vorjahr einen geistig verwirrten Mann fünf Tage lang zu Unrecht in Schubhaft genommen haben. Während der 22-Jährige in Schubhaft saß, suchten seine verzweifelten Eltern nach ihm und meldeten ihn auch als vermisst. Den Angeklagten wird "Fahrlässige Verletzung der Freiheit" (§ 303 StGB) vorgeworfen. Sie bekannten sich "nicht schuldig". Den Beamten drohen drei Monate Haft.

Verständigung nur in gebrochenen Sätzen

Der gebürtige Sudanese wurde am 25. März 2009 im Zuge einer fremdenpolizeilichen Kontrolle am Urban-Loritz-Platz in Wien-Neubau aufgegriffen. Er konnte sich nicht ausweisen, wirkte verwirrt und konnte nur in gebrochenen Sätzen Angaben zu seiner Identität machen. Die Beamten kamen, auch aufgrund der Hautfarbe des jungen Mannes schließlich zum Schluss, es mit einer "illegalen" Person zu tun zu haben. Der Mann wurde ins Polizeianhaltezentrum am Hernalser Gürtel überstellt, wo man über ihn die Schubhaft verhängte.

Unklare Zuständigkeiten innerhalb des Polizeiapparats

Erst am 1. April 2009 stellte sich heraus, dass der geistig behinderte 22-Jährige seit 1998 in Österreich lebt und auch die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt. Sein Vater war bis 2007 bei der sudanesischen Botschaft in Wien beschäftigt.  Wie die Verhandlung ergab, dürften unklare Zuständigkeiten innerhalb des Polizeiapparats beigetragen haben, dass erst über eine eingeschaltete Magistratsbeamtin der abgängige Sohn aufgespürt wurde.

Mail nicht gelesen

"Ich hab' den Häftling abgeliefert. Was dann weiter im Anhaltezentrum passiert, hab' ich nicht gefragt", gab einer der Beamten an. Sein Dienstvorgesetzter, der den 22-Jährigen festgenommen hatte, erklärte: "Ich habe alles versucht, um seine Identität zu klären. Er hat gesagt, er kommt aus dem Sudan. Mit der Abgabe im Anhaltezentrum war die Sache für mich erledigt. Wenn irgendetwas nicht in Ordnung wäre, hätte man mich anrufen können." Dazu muste der Polizist seine dienstliche Email-Adresse hinterlassen. An diese Adresse wurde dann auch das Ergebnis einer Abfrage geschickt, der ein Abgleich der Fingerabdrücke des 22-Jährigen mit Eintragungen im Zentralen Melderegister zugrunde lag. Daraus ging eindeutig hervor, dass sich der Mann rechtmäßig in Österreich aufhielt. Der Polizist löschte dieses Mail jedoch, ohne es gelesen zu haben. "Ich hab' nicht gewusst, weshalb die meine Email-Adresse brauchen. Ich hab' sie halt hergegeben, weil das Kollegen sind. Ich hab die Mail nicht mit der Amtshandlung in Verbindung gebracht, weil mein Vorgesetzter gesagt hat, wir haben damit nix mehr zu tun", lautete seine Begründung.

Aufgabe der Polizisten Ergebnis zu überprüfen

Im Anhaltezentrum selbst fühlte man sich auch nicht zuständig, die Identität des jungen Mannes zu klären. Man sei nur "Servicestelle für einschreitende Beamte". Es sei Aufgabe der Polizisten, das Ergebnis einer personenbezogenen Abfrage entgegen zu nehmen, erklärten mehrere Beamte der Richterin.

Jeder verlässt sich auf den anderen

Nachdem ein Polizeijurist die Schubhaft verhängt hatte, wanderte der Akt auf den Schreibtisch einer langjährigen Referentin bei der Fremdenpolizei. Obwohl der 22-Jährige einer Psychologin am 27. März erzählte, dass er Eltern in Österreich habe, verblieb er weiter in Haft. Die Begründung der zuständigen Beamtin: "Ich habe das nie bekommen. Ich bekomme nur den Bericht, ob er haftfähig ist. Ich habe mich darauf verlassen, dass der, der die Schubhaft verhängt, weiß, was er tut. Ich bin nicht auf die Idee gekommen, wie das ein Österreicher sein soll." Die Verhandlung wurde zur Ladung weiterer Zeugen auf unbestimmte Zeit vertagt.(APA)