Wien - Facebook, Myspace oder Xing, die sozialen Netzwerke des Web 2.0, boomen. Genutzt werden sie freilich nicht nur, um mit dem netten Dänen vom letzten Cluburlaub in Kontakt zu bleiben, sondern auch, um mit netten Damen - oder Herren - für zukünftige Kuschelurlaube in Kontakt zu treten. Auch als Mittel zur Beziehungsvermittlung erfreut sich das Internet wachsender und vor allem zunehmend akzeptierter Beliebtheit.
Das Wiener Bernhard Ensemble, das es sich zum Ziel gesetzt hat, "aktuelle Aspekte unserer Zeit auf der Bühne zu thematisieren", macht nun mit "Myface - Liebe mich!" Liebesirrungen und -wirrungen im Netz zum Thema. Also taumeln im Stück von Ensemblemitglied Grischka Voss drei Frauen und zwei Herren im monochromen Zwirn über die Bühne des Off-Theaters, um sich nach und nach in allen möglichen Paarkonstellationen auszuprobieren. Zwischen ihnen schwirrt außerdem noch der Spiritus Rector Miguelito (Michael Welz) umher, der die schwer fassbare Entität des Internet repräsentieren soll.
Tatsächlich sind das Netz und seine Auswirkungen auf das soziale Verhalten der Nutzer für Voss anscheinend viel zu komplex, um es adäquat auf die Bühne zu bringen. So bekommt der Zuseher recht klassische Blind Dates mit schwitzenden Zwänglern, anstrengenden Tussis und anderen mäßig glamourösen Gestalten vorgesetzt. Man wird Zeuge, wie sich der im Internet als falscher Latino namens Hombre auftretende Friseur Gerhard Büschl (Kajetan Dick) von der enormen Schambehaarung seines Dates beeindruckt zeigt, wie Peter Notnagel alias Monsieur Soif (Ernst Kurt Weigel) an schrecklichen Flatulenzen leidet, Miss Quick (Kristina Bangert) endlich zur Sache kommen will und Miss Fig (Eva Reinold) Vorträge über ihre Allergien hält.
Wenig Neues also in der Datingwelt der Thirtysomethings, wodurch das Stück trotz des hysterischen Overactings mit zunehmender Spieldauer doch etwas ermüdet. Auflockerung bringen kurze Couplets (Musik: B. Fleischmann) - die musikalischen "Profile" der User - und Nacktflitzereinlagen, deren tieferer Sinn (Bereitschaft zur Selbstentblößung im Netz?) jedoch im Dunkeln bleibt. Am Schluss wird noch für zwei Sätze der netzpolitische Zeigefinger erhoben, wenn sich Miguelito als diabolischer Datensammler outet und dafür von den Partnersuchenden erschossen wird. Um aus dem Abend aber mehr als eine Launigkeit zum Thema Partnersuche zu machen, ist das leider zu wenig. (Dorian Waller/ DER STANDARD, Printausgabe, 8.4.2010)