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Gutbürgerliche Nachbarschaft statt "Kaisermühlen Blues" : Die rote Stadtregierung will Gemeindebauten und geförderte Wohnsiedlungen für Besserverdienende öffnen. Ein 3-Personen-Haushalt wird künftig ein maximales jährliches Nettoeinkommen von 66.180 Euro haben dürfen, um eine Gemeindewohnung zu bekommen. Bisher lag die Grenze bei 47.270 Euro.

Foto: AP/Probst

Wien - Für die Gemeindebaubewohner hat man sich bereits eine Reihe neuer Ordnungs- und Beratungsdienste ausgedacht, nun bemüht sich die rote Stadtregierung um die Besserverdiener. Neun Tage vor der Wien-Wahl am 10. Oktober soll ein Wohnbauförderungsgesetz in Kraft treten, mit dem die SP den Mittelstand in soziale Wohnbauten locken will.

Einkommensgrenze massiv angehoben

Die Einkommensgrenze für städtisch geförderten Wohnraum wird massiv angehoben. Bisher lag sie für einen Drei-Personen-Haushalt bei 47.270 Euro (Gemeindebau) beziehungsweise 56.720 Euro (Genossenschaft), künftig soll sie für alle städtisch geförderten Wohnungen bei 66.180 Euro liegen.

Große Nachfrage nach günstigem Wohnraum

"Es gibt eine sehr große Nachfrage nach günstigem Wohnraum, das wollen wir unterstützen" , sagt Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SP). So könne sich ein halbwegs gut verdienendes junges Paar, das am privaten Wohnungsmarkt keine entsprechende Wohnung finde, künftig um eine geförderte bemühen. "Damit öffnen wir diesen Bereich für neue Zielgruppen."

Superförderung  für Einkommensschwachen

Eine Verdrängung von Einkommensschwachen, die auf Sozialwohnungen angewiesen sind, fürchtet Ludwig nicht. "Wir haben in den letzten Jahren 20.000 neue Wohnungen errichtet, im nächsten Jahr kommen 7000 weitere hinzu - und 10.000 werden saniert." Die Öffnung des Gemeindebaus für den gehobenen Mittelstand führe vielmehr zu einer besseren sozialen Durchmischung in den einzelnen Siedlungen, sagt Ludwig. Für sozial Schwächere werde zudem die Zahl der Wohnungen mit sogenannter Superförderung erhöht. Dabei vergibt die Stadt Darlehen an den Bauträger, dieser verpflichtet sich im Gegenzug, Wohnungen mit deutlich geringerem Finanzierungsbeitrag zu vergeben.

Geförderte Häuslbauer

Günstiger Leben aber auch Besserverdiener in geförderten Wohnungen: Ludwigs Novelle sieht einen erleichterten Zugang zu Eigenmitteldarlehen vor. Dabei wird nicht nur die Einkommensgrenze erhöht, sondern es werden auch die Bestimmungen für die Rückzahlung von Eigenmittelersatzdarlehen gelockert. So kann etwa ein Zwei-Personen-Haushalt mit einem jährlichen Nettoeinkommen von 25.000 Euro - bisher lag die Einkommensgrenze bei 20.880 Euro - ein Darlehen mit einer Laufzeit von 20 Jahren erhalten.

Eigentumswohnungen

Auch für Eigentumswohnungen können sich ab Herbst Menschen mit mehr Geld am Konto anmelden. So liegt die jährliche Netto-Einkommensgrenze für einen Single-Haushalt in Zukunft bei 44.850 Euro (derzeit: 42.050 Euro), für einen Vier-Personen-Haushalt bei 84.420 Euro (derzeit: 79.140 Euro).

150-Quadratmeter-Begrenzung fällt bei Förderung

Selbst auf die Häuslbauer hat der Wohnbaustadtrat nicht vergessen: Mit der Gesetzesänderung soll die 150-Quadratmeter-Begrenzung bei der Förderung von thermischen Sanierungen und den Einbau von Sicherheitstüren wegfallen.

Wie viel der leichtere Zugang zu geförderten Wohnungen die Stadt kosten wird, kann Ludwig noch nicht sagen. "Das hängt davon ab, wie viele es in Anspruch nehmen." Das Wohnbauförderungs- und Wohnhaussanierungsgesetz wurde zuletzt vor 20 Jahren geändert. Ludwigs Novelle ist auch der Opposition grundsätzlich recht.

Kritik an Gebührenpolitik

Ganz ohne Kritik geht's in Wahlkampfzeiten freilich trotzdem nicht. "Kurz vor der Wahl schickt der Wohnbaustadtrat eine Gesetzesnovelle in Begutachtung und verspricht den Wählern den Himmel auf Erden" , sagt der schwarze nichtamtsführende Stadtrat Norbert Walter. "Wer hat die SPÖ daran gehindert, schon früher Entlastungen für die Wienerinnen und Wiener zu beschließen?" Der FPÖ ist Wien noch immer zu teuer: "Die Wohnkosten sind generell durch die Gebührenpolitik bei Müll, Abwasser, Strom und Gas der Hauptgrund für die Teuerung in den Haushalten" , sagt der blaue nichtamtsführende Stadtrat Johann Herzog.

Die Novelle ging gestern, Mittwoch, in Begutachtung. Am 1. Juli soll sie im Wiener Landtag beschlossen werden, Anfang Oktober in Kraft treten. (Martina Stemmer, DER STANDARD Printausgabe 8.4.2010)