Jugendliche sollten studieren, was sie interessiert, meint Beatrix Karl. Dennoch rät sie, die Jobchancen im Auge zu behalten.

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SchülerStandard: Wären Sie heute Studierende, welche Forderungen hätten Sie an eine Wissenschaftsministerin?

Karl: Was mich damals wie heute gestört hat bzw. stört, sind die überfüllten Hörsäle. Spannend wären natürlich kleine Gruppen, wo Themen auch diskutiert werden können. Ich würde aber jedenfalls wieder Jus studieren.

SchülerStandard: Wo müsste man ansetzen, um die Studienbedingungen zu verbessern? Am Budget?

Karl: Mehr Geld ist wichtig, aber nicht die einzige Lösung. Es braucht strukturelle Maßnahmen.

SchülerStandard: Heißt konkret?

Karl: Zum Beispiel Zugangsregelungen. Das muss nicht eine große Prüfung sein, das kann auch im Rahmen einer Studieneingangsphase erfolgen. Aber es sollte transparenter sein als die jetzigen Knock-out-Prüfungen.

SchülerStandard: Das würde aber an den Absolventenzahlen wenig ändern. Wie passt das zu den Bestrebungen, die Akademikerquote zu erhöhen?

Karl: Mehr Studierende bedeuten nicht automatisch mehr Absolventen. Aber es stimmt: Wir haben in Österreich eine zu niedrige Akademikerquote, weil auch viele Berufe nichtakademisch sind. Aber insgesamt gehen wir schon in die Richtung, dass die Akademikerquote steigt.

SchülerStandard: Welche sind die nächsten Schritte zur Verbesserung der Studienbedingungen ?

Karl: In drei Massenstudien, nämlich in Publizistik, Architektur und in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der WU liegen Anträge für eine Notfallverordnung vor, die den Zugang beschränken sollen. Außerdem müssen wir die Umsetzung der Studienpläne auf das Bologna-System verbessern. Die Studienpläne sind vielfach zu überfrachtet, oder es wurden Wahlfächer gestrichen. Auch die Mobilität und die Internationalität müssen gefördert werden.

SchülerStandard: Sollten Maturanten heute ein "selbstverwirklichendes" Studium wählen oder sich mit ihrer Studienwahl an den Arbeitsmarkt anpassen?

Karl: Junge Menschen sollten natürlich etwas studieren, das sie interessiert. Man muss aber auch bedenken, dass es in einigen Studienrichtungen kaum Berufsaussichten gibt. Wir haben im Moment die Situation, dass 60 Prozent der Studienanfänger in bloß 10 Prozent der Fächer gehen. Das heißt, wir müssen die Schülerinnen und Schüler noch besser darüber informieren, welche Studienrichtungen es eigentlich gibt.

SchülerStandard: Kommt bei der Umstellung des Studiensystems und der damit verbundenen Orientierung auf dem Arbeitsmarkt die Wissens- und Bildungsgesellchaft nicht ein wenig zu kurz?

Karl: Das passiert ja so nicht. Aber im Zuge von Bologna wird immer wieder diskutiert, ob eine Universität Bildung oder Ausbildung bieten soll. Wir brauchen natürlich beides. Aber sind wir uns ehrlich: Was wollen die meisten Studierenden? Die meisten wollen ja nach dem Studium einen guten Job. Deshalb ist es die Aufgabe der Universitäten, den Studierenden auch eine sehr gute Ausbildung zu bieten. Denn wie viele Studenten studieren nur deshalb, weil sie sich bilden wollen? Die wenigsten. Die meisten wollen eine Ausbildung.

SchülerStandard: In der Wirtschaft gibt es noch Probleme, den Bachelor einzuordnen. Wie wirken Sie dem entgegen?

Karl: Wir führen immer wieder Projekte durch, um den Bachelor in der Wirtschaft noch populärer zu machen. Beispielsweise geben wir in Kürze gemeinsam mit der WKÖ eine Broschüre heraus, in der wir über den Bachelor informieren. Aber es gibt Gott sei Dank auch Felder, in denen man von vornherein gute Jobaussichten hat, wie etwa nach technischen Studien.

SchülerStandard: Was denken Sie darüber, dass Frauen auch als Absolventen technischer Fächer weit niedrigere Einstiegsgehälter haben als ihre männlichen Kollegen?

Karl: Das ist leider ein generelles Problem, nicht nur in der Technik. Aber da es nicht in meinen unmittelbaren Kompetenzbereich fällt, sind mir gewissermaßen die Hände gebunden. Nichtsdestotrotz möchte ich Frauen motivieren, in technische Berufe zu gehen. Das Problem dieser Lohndiskrepanz haben wir in vielen Bereichen, bei den technischen Berufen sind die Gehälter wenigstens vergleichsweise hoch. Das Problem ist, dass Frauen eher in Berufe tendieren, die schlechter bezahlt sind.

SchülerStandard: Der Studierenden-Sozialreport 2009 hat gezeigt, dass die Studenten heute im Vergleich zu früheren Jahren mehr arbeiten, sich ihre finanzielle Situation aber verschärft hat.

Karl: Das muss man sich noch ansehen, denn die Studierenden-Sozialerhebung ist ja in einer Rohfassung an die Öffentlichkeit gelangt. Wenn sich zeigt, dass die Realität wirklich so aussieht, dann muss an den Unis auch mit entsprechenden Lehrangeboten wie dem E-Learning reagiert werden.

SchülerStandard: Sie haben also keine Erklärung dafür, warum sich die finanzielle Lage der Studenten verschlechtert hat?

Karl: Ich werde mir die Studierenden-Sozialerhebung sehr genau ansehen. Wir können da nur mit Stipendien unterstützen.

SchülerStandard: Mussten Sie während Ihres Studiums arbeiten?

Karl: Nein, ich habe mein Studium mit Stipendien finanziert.

SchülerStandard: Wie stehen Sie dazu, dass die Studiengebühren an den Unis abgeschafft wurden, man sie an den meisten FHs aber noch immer zahlen muss?

Karl: An den Unis wurden die Beiträge nur teilweise abgeschafft. An den Fachhochschulen bestimmen die FHs selbst, das liegt nicht in meinem Kompetenzbereich. Die derzeitige Regelung an den Universitäten ist aber kompliziert und wenig praktikabel.

SchülerStandard: Sie selbst machen sich ja für eine Wiedereinführung der Studiengebühren stark. Haben Sie dafür schon einen konkreten zeitlichen Rahmen?

Karl: Es gibt keine konkreten Pläne. Ich habe immer gesagt, dass ich Studienbeiträge für sinnvoll halte. Aber derzeit gibt es die politische Mehrheit nicht, die dafür notwendig wäre. Daher liegt dieses Vorhaben auf Eis. (Aurora Orso und Johanna Tirnthal, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7.4.2010)