Bild nicht mehr verfügbar.

Ex-Außenministerin Rosa Otunbajewa (links) bei einer Pressekonferenz in Bischkek.

Foto: Reuters/Vladimir Pirogov

Bild nicht mehr verfügbar.

Auch am Donnerstag demonstrierten Kirgisen vor dem Regierungsgebäude in Bischkek

Foto: AP/Alexander Zemlianichenko

Bild nicht mehr verfügbar.

Jubelnde Demonstranten in Bischkek

Foto: epa/Igor Kovalenko

Bild nicht mehr verfügbar.

Verletzte Demonstranten auf dem Platz vor dem Sitz des Präsidenten in Bischkek.

Foto: Reuters/Vladimir Pirogov

Bild nicht mehr verfügbar.

Demonstranten attackieren einen Polizisten.

Foto: Reuters/Vladimir Pirogov

Bischkek - In Kirgistan flammen die Gewaltexzesse in der Hauptstadt Bischkek nach Medienberichten wieder auf. Demnach ordnete der von der bisherigen Opposition eingesetzte Innenminister der neuen Übergangsregierung, Bolot Schernijasow, an, auf Plünderer und Randalierer schießen zu lassen. Das sagte der Minister nach Angaben der Moskauer Agentur Interfax am Donnerstag im staatlichen Fernsehen. Zuvor hatten Medien über Brandschatzungen in der Stadt berichtet.

Bakijew verweigert Rücktritt

Das Schicksal des entmachteten Präsidenten Kurmanbek Bakijew war unterdessen weiter unklar. Am Vormittag hatten kirgisische Medien unter Berufung auf Bakijews Umfeld berichtet, der Staatschef habe seinen Rücktritt erklärt. Am Abend zitierte die kirgisische Agentur 24.kg aus einer E-Mail, in der Bakijew nach unbestätigten Angaben weiter seinen Machtanspruch erhebe. "Ich als der Garant der Verfassung Kirgistans erkläre, dass im Fall einer weiteren Destabilisierung die gesamte Verantwortung auf den Führern der Opposition liegt, die mit der ganzen Härte des Gesetzes bestraft werden", zitierte die Agentur aus dem Schreiben.

Nach der Machtübernahme der Opposition hat Russland die selbst ernannte Übergangsregierung in Kirgistan anerkannt. Ministerpräsident Wladimir Putin betrachte Oppositionsführerin Rosa Otunbajewa als Chefin einer neuen Regierung, sagte ein Sprecher des russischen Ministerpräsidenten am Donnerstag. Otunbajewa habe Putin in einem Telefonat erklärt, sie habe die vollkommene Kontrolle über Kirgistan. Russland hat nichtsdestotrotz 150 Soldaten zum Schutz seiner dort stationierten Streitkräfte und ihrer Familien in das GUS-Land entsandt.

"Die Macht ist nun in der Hand der Regierung des Volkes. Verantwortliche Menschen arbeiten bereits unter einer sich normalisierenden Lage", schrieb Oppositionsführerin und Ex-Außenministerin Rosa Otunbajewa im Kurznachrichtendienst Twitter. Sie plane für ein halbes Jahr einer Interims-Regierung vorzustehen, um eine neue Verfassung für Kirgistan zu entwerfen. Danach sollten freie und faire Präsidentenwahlen stattfinden. "Es gibt nun eine Übergangsregierung, und ich bin ihr Oberhaupt", sagte Otunbajewa.

Der bisherige Ministerpräsident Danijar Ussenow und sein Kabinett hätten ihren Rücktritt eingereicht, hatte es zuvor geheißen. Der bisherige Präsident Kurmanbek Bakijew ist nach Angaben Otunbajewas in seine Heimat Dschalalabad im Süden des Landes geflohen, um dort seine Anhänger zu sammeln.

Bei den Protesten der Opposition gegen Bakijew und seine Regierung sind nach neuen Angaben der Behörden 75 Menschen getötet worden. Weitere 1,000 seien bei den Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten in der Hauptstadt Bischkek verletzt worden, teilte das Gesundheitsministerium am Donnerstag mit.

Quelle: Youtube/RT

Die Opposition hatte seit Beginn der Proteste am Dienstagabend mehrere Städte im Norden des Landes in ihre Gewalt gebracht, darunter die regionalen Zentren Talas und Naryn. Am Mittwoch brachten die Regierungsgegner in Bischkek mehrere staatliche Gebäude wie das Rathaus sowie staatliche Medienanstalten unter ihre Kontrolle. Die Demonstranten brandschatzten öffentliche Gebäude, es gab Plünderungen und schwere Zerstörungen. Unter den Toten ist vermutlich auch der bisherige Innenminister Moldomussa Kongantijew. Unbestätigten Berichten zufolge nahmen die Demonstranten mehrere Regierungsmitglieder als Geiseln. In Bischkek zog eine Menschenmenge mit erbeuteten Waffen durch die Straßen und zündete Fahrzeuge an. Unmittelbar ausgelöst wurden die Proteste von einer massiven Erhöhung der Strom- und Heizkosten. Zu den ersten Zusammenstößen kam es, als gerade UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon vor einigen Tagen das Land besuchte.

Geschäfte geplündert

In der Nacht auf Donnerstag waren in Bischkek vereinzelt Schüsse zu hören. Vereinzelt wurden Geschäfte geplündert. Gebäude standen in Flammen. Kasachstan ließ seine Grenzen zu Kirgistan schließen. Die kirgisische Agentur Akipress meldete Parlament, Regierungssitz, Polizei und Medien sowie der Flughafen würden mittlerweile nun von den Gegnern Bakijews geführt.

Russland, die USA, UNO und EU riefen alle Beteiligten in der ehemaligen Sowjetrepublik zur Mäßigung auf. Der russische Ministerpräsident Wladimir Putin wies jede Beteiligung seines Landes an den Geschehnissen in Kirgistan zurück. Präsident Dmitri Medwedew sagte: "Kirgistan war und bleibt ein strategischer Partner Russlands." Wie Putin warf er der Regierung um Bakijew Fehler vor. Dass sich der Protest auf so gewaltsame Weise geäußert habe, zeige, wie groß die Enttäuschung der Bevölkerung ist.

USA verurteilten Gewalt

Die Regierung in Washington verurteilte die gewaltsamen Ausschreitungen in dem zentralasiatischen Land. Die US-Regierung rufe alle Parteien dazu auf, die Gesetze zu respektieren und Differenzen mit friedlichen und legalen Mitteln zu überwinden, sagte der Sprecher des Außenministeriums, Philip Crowley, am Mittwoch in Washington. Die USA setzten nach dem von der Opposition verkündeten Sturz der Regierung die Flüge zu ihrer Luftwaffenbasis Manas in der Nähe von Bischkek, die von der US-Armee und der NATO als Stützpunkt für ihre Einsätze in Afghanistan genutzt wird, aus. UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon äußerte sich in Kasachstan "schockiert" über die Situation. Auch die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton zeigte sich "tief besorgt".

Kirgistan ist für den Westen von großem strategischen Interesse. Das Land liegt nördlich vom Iran und Afghanistan und soll ein Bollwerk gegen islamische Extremisten bilden. Auch Russland hat eine Militärbasis im Land.

Bakijew selbst kam 2005 selbst an der Spitze einer Protestbewegung mit dem Versprechen demokratischer Reformen an die Macht. Die sogenannte Tulpenrevolution führte zum Sturz seines autoritären Vorgängers Askar Akajew. Inzwischen sieht sich Bakijew aber mit ähnlichen Vorwürfen konfrontiert wie Akajew. Im vergangenen Sommer war er in einer umstrittenen Wahl im Amt bestätigt worden. Die Opposition und Menschenrechtsorganisationen warfen ihm korrupte Clanstrukturen und Günstlingswirtschaft, Machtmissbrauch sowie Unterdrückung der Meinungsfreiheit vor. Viele Menschen in Kirgistan leiden unter extremer Armut. (APA/Reuters/apn)

Welt im Bild: Blutiger Machtkampf in Bischkek