Das Taxi sollte man lieber eine halbe Stunde zu früh bestellen. Das erhöht die Chancen, dass es noch rechtzeitig kommt.

Foto: Mirjam Harmtodt

Eine Freundin aus Österreich, die ebenfalls Brasilien bereist, hat mich für drei Tage in Fortaleza besucht. Heute um elf Uhr ist sie weiter gefahren in den Süden, um ein paar Tage am Strand zu verbringen. 120 Kilometer Landweg. Mit dem Bus. Rund drei Stunden Fahrt also.

Der Plan, den ersten Bus um acht Uhr zu nehmen, ist gescheitert - wenig überraschend. Nach dem der Taxifahrer, der sie zur Rodoviaria bringen sollte, gestern noch versprochen hatte, heute pünktlich um sieben Uhr vor der Tür zu stehen, hat er es sich im Laufe der Nacht wohl doch anders überlegt. Er wäre dann kurz nach halb acht so weit gewesen. Aber da waren wir gerade bei der dritten Tasse Kaffee, ganz gemütlich, denn der nächste Bus fährt erst um elf. Den Taxler haben wir wieder weg geschickt.

Stressfrei bis zum Exzess

Reisen in Brasilien kann ein Nervenkampf sein. Unsere erste Fahrt zum Busbahnhof in Sao Paulo war ein Wettlauf gegen die Zeit. Unsere zweite Fahrt zum Airport in Recife ebenfalls. In beiden Fällen haben wir unsere Verkehrsmittel rechtzeitig erreicht, obwohl ich beide Male davon überzeugt war, sie zu versäumen.

Die brasilianische Lässigkeit im Umgang mit Zeit kann ziemlich stressig werden, denn die Eile, die Anfangs nicht vorhanden ist, wird bei Näherrücken eines Termins komprimiert. Das passt gut zu ihrer Vorliebe für Druckkochtöpfe, denen ich so wenig vertraue wie dem brasilianischen Zeitmanagement.

Deadline-Walker

Die Zeit in Sao Paulo etwa reichte am Ende gerade noch aus, um das obligatorischen Busticket mit allen Infos auszufüllen. Dabei waren wir extra um sechs Uhr aufgestanden, um den Bus um acht Uhr in Ruhe zu erreichen. Zehn vor acht war dann auch der Fahrer soweit, sich in halsbrecherischer Geschwindigkeit in die engen Kurven zum Busbahnhof zu schmeißen - und uns mit. Ein Kugelschreiber sollte bei Busreisen in Brasilien übrigens immer zur Hand sein, denn für jede Fahrt muss das Ticket händisch mit Name, Adresse und Passnummer ausgefüllt werden.

Beim Flug nach Recife das gleiche Spiel. Die Frage: "Geht sich das eh aus?", wird mit einem herzlichen Lachen quittiert, 45 Minuten vor dem Abflug stehen wir im Freitagsstau. Jetzt wird auch der Fahrer, ein Cousin von Fabio, ganz langsam unruhig und meint: "Ja, ja. Das ist immer so am Freitag. Da ist die Straße zum Flughafen verstopft." Wir haben die Maschine trotzdem erreicht, allerdings war für eine Verabschiedung keine Zeit mehr.

Ein Land wie ein Kontinent

Fliegen ist die bequemste und einfachste Variante, durch dieses riesige Land zu reisen. Nur zum Vergleich: Brasilien hat knapp 8.515.000 Quadratkilometer Landfläche, Europa rund 10.200 und Österreich nicht einmal 84.000. Dementsprechend sind auch die Anforderungen an den Reisenden anders, als wenn man schnell einmal von Bregenz nach Wien fährt. Auch sind die Straßenverhältnisse in Brasilien nicht überall bandscheibenfreundlich.

Der Flug von Recife nach Fortaleza dauerte eine Stunde und es gab sogar Bordservice mit Sandwich und Getränken - gratis! Allerdings gibt es das nur bei der TAM. GOL beispielsweise erinnert an Ryanair oder die einstige SkyEurope. Einziger Unterschied: die Preise sind für das Angebot exorbitant hoch!

Im Bus hätte die Fahrt rund 15 Stunden gedauert, eventuell ohne Klimaanlage und mit der Möglichkeit, zu völlig überhöhten Preisen ein Päckchen Nüsse, Schokolade, Wasser oder Cola zu kaufen. Jedoch kostet eine Busfahrt auch nur einen Bruchteil dessen, was man für einen Flug hinlegen muss. Man darf die Größe dieses Landes nicht unterschätzen. Die Fahrt von Natal nach Joao Pessoa nimmt drei Stunden in Anspruch, die von Joao Pessoa nach Recife ungefähr zwei. Die Strecke Fortaleza - Natal, die Michaela neun Stunden gekostet hat, haben wir noch vor uns.

Zum in die Luft gehen

Eine sehr effiziente und sparsame Möglichkeit, kreuz und quer durchs Land zu reisen, ist einen Brasilien-Airpass von TAM zu kaufen. Damit reist man für relativ wenig Geld an bis zu neun Destinationen und spart sich eine Menge Zeit - und Nerven. Allerdings ist die Ausstellung des Airpass an ein paar Bedingungen geknüpft, die im Vornhinein bedacht werden sollten. Etwa jene, dass der Airpass nur dann gültig ist, wenn man über Rio, Sao Paulo, Manaus oder Belem einreist. Der Pass gilt nur für 30 Tage ab Einreisetag und die Einreise nach Brasilien muss mit TAM erfolgen.

Die Flughäfen in Brasilien funktionieren einwandfrei, wenn auch manchmal etwas anarchistisch. So darf man sich nicht wundern, wenn das Gepäck im Stressbetrieb, statt auf dem Förderband, auf einem Riesenhaufen daneben landet. Aber die Brasilianer kennen das, lösen das Gepäckschaos mit wenigen Handgriffen auf, und nach zehn Minuten geht jeder mit seinem Koffer davon.

Wer vor hat, viel im Land herumzureisen, sollte auf den Bus verzichten. Sonst sieht er von Brasilien in der Hauptsache den wenig attraktiven Rückenteil des Vordersitzes und die vorbeiziehende Landschaft, die auf einer neunstündigen Autobahnfahrt auf Dauer auch nicht unterhaltsam ist. Und der Akku vom iPod packt die Distanzen ohne regelmäßiges Aufladen einfach nicht.

Unterhaltsam können die Mitreisenden sein, die, oft auch ungeachtet der Sprachkenntnisse der Touristen, in einem endlosen Strom von Familie, Hausbau, Politik und dem letzten Carnaval erzählen. Und man sollte tunlichst dafür sorgen, dass Taxi eine halbe Stunde vor der geplanten Abfahrt zu bestellen. Dann hat man eine reelle Chance, rechtzeitig zum Flughafen zu kommen. (Mirjam Harmtodt/derStandard.at/06.04.2010)