Wien - Die zahlreichen Missbrauchsfälle in der katholischen Kirchen haben zu einer regelrechten Austrittswelle geführt, wie ein Rundruf ergab. So haben etwa in Graz alleine im März rund 1.000 Katholiken der Kirche den Rücken gekehrt. In Kärnten rechnet man mit einer Steigerung der Austritte um rund die Hälfte gegenüber dem Vorjahr. Auch in Vorarlberg hat die Kirche mit einer Rekordzahl an Austritten zu kämpfen. "Wir kommen momentan kaum mehr nach mit dem Eintragen", sagte eine Sachbearbeiterin der BH Dornbirn. In der Diözese Feldkirch wurden in den ersten drei Monaten 2010 mehr Austritte gezählt als im gesamten Jahr 2008. Die Diözese Innsbruck verzeichnete seit Jahresanfang insgesamt 1.348 Abgänge.

In Graz sind seit Anfang März rund 1.000 Katholiken (Schnitt 2009: 220 bis 230) aus ihrer Kirche ausgetreten. Das erklärte die Leiterin des für Austritte aus der katholischen Kirche zuständige Bürgeramts, Ingrid Bardeau. Von der Leiterin der Kirchenbeitragsstelle der Diözese Graz-Seckau, Hertha Ferk, hieß es, genaue Zahlen könne man noch nicht nennen, da noch nicht alle Meldungen von Beitragsstellen und Bezirkshauptmannschaften eingetroffen seien. Die Tendenz sei aber steigend, soviel sei sicher.

In der Diözese sind im vergangenen Jahr insgesamt 8.875 Menschen ausgetreten. Im Schnitt kehrten also monatlich 739 Katholiken der Kirche den Rücken. Bei einer steigenden Tendenz dürfte man also auf über 1.000 im Monat kommen. Was für Ferk überraschend ist: Die Eintritte seien im Schnitt auf dem Niveau des Vorjahres: 2009 waren im Schnitt 140 Menschen monatlich in den Schoß von Mutter Kirche zurückgekehrt.

In der Diözese Gurk-Klagenfurt sind bis Ende März 1.524 Kirchenaustritte registriert worden. "Das ist aber noch nicht das endgültige Quartalsergebnis, da kommen noch einige Austritte dazu", erklärte Finanzkammerdirektor Franz Lamprecht auf Anfrage der APA. Stellt man mit der bisherigen Zahl trotzdem einen Vergleich zum 1. Quartal 2009 an - damals wurden 1.032 Austritte verzeichnet - liegt die Steigerung bei 47 Prozent. "In der Endabrechnung wird die Steigerungsrate bedauerlicherweise wohl bei 50 Prozent liegen", vermutete Lamprecht.

In Vorarlberg wurden seit 1. Jänner bereits 367 Kirchenaustritte registriert, mindestens 50 Anträge warten noch auf Bearbeitung. Im Bezirk Bregenz kehrten 2010 schon über 600 Personen der Kirche den Rücken. "Normalerweise haben wir übers ganze Jahr 900 Austritte", sagte eine BH-Mitarbeiterin. In Bludenz wollten laut der zuständigen BH 315 Personen nicht mehr der katholischen Kirche angehören. "Sonst sind es im Jahr 400 bis 500", so die Auskunft dort. Auch aus Feldkirch wurde ein markanter Anstieg gemeldet, hier traten heuer 517 Personen aus der Kirche aus. Damit hat die Diözese Feldkirch allein in den ersten drei Monaten 2010 mindestens 1.850 "Schäfchen" verloren. Das sind mehr Austritte als 2008 im gesamten Jahr (1.793). 2009, als Bischof Elmar Fischer mit seinen Aussagen zur Homosexualität für Empörung sorgte, hatten insgesamt 2.515 Personen ihren Austritt erklärt.

Auch in der Diözese Innsbruck sind die Austrittszahlen im Monat März signifikant angestiegen. "Mit Stand 21. März verzeichneten wir seit Jahresanfang insgesamt 1.348 Abgänge", teilte Diözesansprecher Franz Stocker am Donnerstag der APA mit. Allein in den ersten drei Märzwochen seien es damit rund 200 mehr als im gesamten März des vergangenen Jahres gewesen. Die endgültigen Zahlen für das laufende Monat würden aber erst nach Ostern erhoben. Am 16. März lag die Zahl jener, die der Kirche den Rücken gekehrt hatten, noch bei 658.

Die Diözese St. Pölten konnte keine konkreten Zahlen nennen. Die Tendenz sei in den vergangenen Tagen zwar besser geworden, Schätzungen zufolge werde man die rund 700 Austritte vom März des Vorjahres aber übertreffen, hieß es. (APA)