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"Wir, Gottes Volk, seine Kirche, tragen miteinander an dieser Schuld", lautete die Kernbotschaft des Schuldbekenntnisses, das Schönborn gemeinsam mit der Theologin und Publizistin Veronika Jagenteufel vortrug. Man habe "die Leiblichkeit" nicht wertgeschätzt und sei an der Aufgabe, "Sexualität gut zu leben", gescheitert. "Einige von uns haben sexuelle Gewalt angewendet", so Schönborn. "Wir haben vertuscht und ein falsches Zeugnis gegeben"

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Schönborn betonte in seiner Predigt: "In dieser Stunde sind Predigtworte daneben, sie können nur peinlich werden, oft verletzend sein. Schweigen wäre angebracht." Aber, in letzter Zeit sei in der Kirche vieles aufgebrochen. Es werde nun zwar weniger weggeschaut, "aber es bleibt viel zu tun". Gott sei aber ein Gott, der nicht wegschaut und nicht weghört, ihn lasse das Leid nicht kalt – Kardinal Christoph Schönborn tat im Stephansdom sichtlich bewegt Buße

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Buße und Klage im Stephansdom: Christoph Kardinal Schönborn, an seiner rechten Seite Generalvikar Franz Schuster, Martha Heizer von "Wir sind Kirche" und Dompfarrer Anton Faber

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Bereits eine Stunde vor dem Bußgottesdienst drängten die 3000 Besucher in den Stephansdom. Vor dem Altar wurden Kerzen für die Missbrauchsopfer angezündet. Die Veranstaltung wurde von gut einem Dutzend Polizeibeamten überwacht

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Es war Zeit, Buße zu tun: Am Mittwoch luden Kardinal Christoph Schönborn und „Wir sind Kirche" zur Aussprache in den Wiener Stephansdom - Vor Schönborns Predigt und Schuldbekenntnis wurden Texte von Missbrauchs-Betroffenen vorgelesen

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Wien - „Ich will meine Wut, meinen Hass, meinen Zorn vor dich werfen - ich wünsche ihm Gift und Galle, blind soll er werden, verhungern und vereinsamen - Gott, siehst du nicht meine Hilflosigkeit". Schwere Paukenschläge folgen auf die klagenden Worte eines Redners. Weihrauch-Geruch, bedrückende Stille. Es ist der Abend des Klage- und Bußgottesdienstes im Stephansdom für die Missbrauchsopfer . Etwa 3000 Besucher folgten am Mittwoch der Einladung der kirchenkritischen Plattform „Wir sind Kirche" und des Wiener Erzbischofs Kardinal Christoph Schönborn. Beim Einzug wurden kleine Kerzen ausgeteilt, die angezündet und vor dem Altar aufgestellt wurden.

Wie können die, die weggesehen haben, plötzlich Sehende werden

Zu Beginn des Gottesdienstes waren Opfer am Wort, beziehungsweise ihre Vertreter, die deren anklagende Reden verlasen. „Abend für Abend kommen die Erinnerungen wieder - wie kläffende Hunde. Rette mich vor diesen schrecklichen Albträumen. Ich habe doch nichts angestellt", verlas ein Mann. Ein anderer klagte seinen Peiniger an:„Von ihm soll nichts übrig bleiben, sein Name verlöschen. Streich ihn heraus, aus dem Buch desLebens." Paukenschläge. „Wie können die, die jahrelang weggesehen und weggehört haben, plötzlich wahrhaft Hörende und Sehende werden. Ich bete dafür, die Zeit wird es weisen".

„Schwächste ausgesucht"

Für Hans Peter Hurka, Sprecher von „Wir sind Kirche", stellt in seiner Rede klar: „Es ist soviel Unrecht geschehen, es kann sich niemand heraushalten". Will man sich an diesem Abend ganz offensichtlich nicht. Davon zeugte bereits vor der eigentlichen Kardinals-Predigt ein gemeinsames Buß-Gebet: „Wir bekennen, dass wir besitzen wollen - einige von uns haben dafür die Schwächsten ausgesucht. Wir bekennen diese Schuld und sind bereit, unsere Handlungsmuster zu erneuern".

In dieser Stunde sind Predigtworte daneben

„In dieser Stunde sind Predigtworte daneben. Sie können verletzen", sagte Schönborn zu Beginn seiner Predigt. „Schweigen wäre angebracht, aber nicht das Vertuschen, das Mundtotmachen. Danke, dass Sie das Schweigen gebrochen haben." Oft verspüre er auch ein Gefühl der Ungerechtigkeit: „Gibt es nicht auch anderswo Missbrauch". Doch Missbrauch in der Kirche wiege besonders schwer: „Er schändet den Namen Gottes". Es sei eine schmerzliche Erfahrung für die Kirche, doch „was ist dieser Schmerz gegen jenen der Opfer?"

Der Kardinal schloss seine Predigt mit den Worten: „Wenn jetzt die Opfer sprechen, dann spricht Gott zu uns, zu seiner Kirche, um sie aufzurütteln und zu reinigen."

Tränen beim Bußgebet

Einige Messbesucher kämpften bei dem Gottesdienst mit Tränen, insbesondere beim Bußgebet. Von Aufruhr vor dem Stephansdom, für den die Polizei sich mit Dutzenden Beamten gewappnet hatte, war nichts zu bemerken. Ein Mann, der nicht zur Messe eingeladen worden war, verteilte Flugzettel, andere hielten eine Mahnwache.

„Zaghafter Versuch"

Der katholische Publizist Hubert Feichtlbauer sieht in dem brisanten Treffen im Hause Gottes „den zaghaften Versuch des Kardinals, getragen von guter Absicht, zu zeigen, dass er sich nicht mit Formalitäten begnügt". Feichtlbauer: „Auch wenn Schönborn natürlich voll hinter dem Hirtenbrief des Papstes steht, wollte er ein deutliches Zeichen darüber hinaus setzen." Es sei diese „Bereitschaft, sich den Vorwürfen zu stellen, absolut keine Selbstverständlichkeit. Aus keinem anderen Land ist mir ein ähnlicher Bußgottesdienst mit einem Kardinal bekannt."

Der in den letzten Tagen aufkeimenden Kritik an der von Kardinal Schönborn eingesetzten Kommission unter dem Vorsitz der steirischen Ex-Landeshauptfrau Waltraud Klasnic zur Klärung der Missbrauchsfälle kann Feichtlbauer wenig abgewinnen: „Man kann es letztlich nie allen recht machen. Und der Vorwurf, Frau Klasnic stünde der Kirche zu nahe, ist nicht nachvollziehbar. Genauso unlogisch wäre es, jemanden einzusetzen, der gegen die Kirche ist." ( Gudrun Springer und Markus Rohrhofer, DER STANDARD Printausgabe 1.4.2010)