Gehring: "Addieren Sie die Opfer des Holocaust, und addieren Sie die Opfer der Abtreibung!"

Foto: Regine Hendrich

STANDARD: Der Kirche laufen die Mitglieder davon. Warum sollten die Österreicher ausgerechnet eine Person, die das Christsein zum Programm hat, zum Bundespräsidenten wählen?

Gehring: Ich bin immerhin ein Angebot für alle christlich denkenden Bürger in diesem Land - egal, zu welcher Partei sie gehören.

STANDARD: Ihre Konkurrenten haben mit der Trennung von Kirche und Staat sicher weniger Probleme: Amtsinhaber Heinz Fischer ist Agnostiker, FPÖ-Kandidatin Barbara Rosenkranz ausgetreten.

Gehring: Ich halte meinen Glauben ja von der Politik strikt getrennt.

STANDARD: Sie rütteln ständig an der Fristenlösung. Warum soll die seit 35 Jahren bestehende Straffreistellung bei Schwangerschaftsabbruch innerhalb der ersten drei Monate abgeschafft werden?

Gehring: Weil das Recht auf Leben ein Menschenrecht ist. Andere Völker töten ihre ungeborenen Kinder ja auch nicht. Grundsätzlich ist diese Tötung immer noch ein Straftatbestand. Daher stelle ich mir flankierende Maßnahmen vor.

STANDARD: Welche?

Gehring: Die Trennung von beratendem und ausführendem Arzt etwa. Oder die Erhebung der Motive der Frau, die eine Abtreibung vornehmen lässt.

STANDARD: Was soll mit Frauen geschehen, die dennoch abtreiben?

Gehring: Man muss sich jeden Einzelfall ansehen, weil es möglicherweise Entschuldigungsgründe gibt. Möglicherweise kommt aber auch heraus, dass ein strafbares Verhalten gesetzt wurde.

STANDARD: Was ist mit dem Arzt?

Gehring: Alle, die das durchführen, Beihilfe leisten, dazu anstiften, müssen voll zur Verantwortung gezogen werden. Auch Väter, die ja oft Druck ausüben. Auch die gehören bestraft.

STANDARD: In Ihrer Parteizeitung liest man von einem "Babycaust". Ist das als Analogie zum Holocaust zu verstehen?

Gehring: Schauen Sie sich doch die Massen an Ungeborenen an, die getötet werden! Derzeit werden ungefähr so viele Kinder getötet wie zur Welt kommen.

STANDARD: Sie setzen die Abtreibung also mit der NS-Vernichtungsmaschinerie gleich.

Gehring: Von mir stammt der Ausdruck ja nicht. Leider Gottes hat mein Vorgänger immer solche Ausdrücke verwendet.

STANDARD: Mit dem Zahlenvergleich haben Sie keine Probleme?

Gehring: Nein. Addieren Sie einmal die Opfer des Holocaust, und addieren Sie die Opfer der Abtreibung - da kommen Sie auf eine erschreckend höhere Zahl.

STANDARD: Ihrer Meinung nach sollen Kinder nicht in Krippen, weil das „dem Gehirn schadet". Was ist dort so schlimm?

Gehring: Das ist erwiesen. Moderne Gehirnforscher belegen das mit zig Studien. Dort fehlen Vater und Mutter, die Geborgenheit des Elternhauses. Schauen Sie sich an, wie viele Kinder auffällig sind. Das kommt ja nicht von irgendwo.

STANDARD: Nach Ihrem Familienbild bleibt die Mutter zu Hause und bekommt ein Müttergehalt. Wie wollen Sie das finanzieren?

Gehring: Ich möchte, dass Hausarbeit, Kindeserziehung wie Altenpflege einer Mutter, auch eines Vaters, als vollwertiger Beruf anerkannt werden. Auch berufstätige Eltern sollen das Erziehungsgehalt bekommen. Bezahlen soll das der Steuerzahler, wir alle zahlen ja auch die negativen Auswirkungen mit, wenn es mit der Erziehung nicht klappt.

STANDARD: Wie die durch die Krippen geschädigten Kinder etwa?

Gehring: Volkswirtschaftlich betrachtet kostet ein Krippenplatz 2000 Euro im Monat pro Kind. Gebe ich einer Mutter 1500 Euro Gehalt, ist das günstiger. Mit der Pflege von älteren Menschen zu Hause ist es das Gleiche: Auch das ist günstiger als ein Altersheim.

STANDARD: So drängen Sie Frauen aus der Arbeitswelt. Entweder sind Sie mit Kindern beschäftigt oder mit der Pflege der Verwandtschaft.

Gehring: Ich finde daran nichts Schlechtes, wenn man sich um andere Menschen kümmert. Heute wird die Frau dazu angehalten, in den außerhäuslichen Beruf zu gehen. Sie hat keine Wahlmöglichkeit, sie wird gezwungen, obwohl das dem Innersten einer Mutter widerspricht.

STANDARD: Woher wissen Sie, was dem Innersten einer Mutter entspricht?

Gehring: Ich bin praktizierender Familien- und Großvater, habe vier Kinder, fünf Enkel, das sechste ist unterwegs.

STANDARD: Die Zahl der Katholiken schrumpft, die der Muslime steigt. Stört Sie das?

Gehring: Im Prinzip nicht. Ich würde mir nur wünschen, dass das Christentum an sich nicht so zurückgedrängt wird.

STANDARD: Wo sehen Sie das?

Gehring: Nehmen Sie die Karikaturen her: Da wird das Christentum verhöhnt! Von Manfred Deix, Alf Poier, vielen anderen. Die haben das zum Kult erhoben - und da wird nichts verfolgt. Jesus Christus mit einem Frosch am Kreuz zu vergleichen ist eine Beleidigung aller Christen.

STANDARD: Sie zeigen die alle an?

Gehring: Natürlich. Beim Islam steht die halbe Republik auf dem Kopf, wenn nur ein falsches Stricherl gezeichnet wird.

STANDARD: Sie haben an der Demo gegen den Ausbau eines Islam-Zentrums in Wien teilgenommen. Was ist so schlimm an Moscheen?

Gehring: Es gibt die Gebetsräume. Minarette braucht es nicht. Ich zitiere den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan: "Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Schwerter, und die Gläubigen sind unsere Soldaten." Ich sage Ihnen: Solche Kasernen brauchen wir nicht.

STANDARD: Fürchten Sie den Islam?

Gehring: Die islamistischen Tendenzen fürchte ich. Der Islam ist eine Religion, die Gewalt zulässt, die auch mit Gewalt begonnen hat. Das Christentum baut auf Frieden und Nächstenliebe auf.

STANDARD: Apropos Gewalt: Wie sehen Sie die vielen Missbrauchsvorwürfe gegen die Kirche?

Gehring: Jeder Missbrauchsfall ist einer zu viel. Das gehört aufgeklärt. Aber nicht nur in der Kirche. Auch hier Gerechtigkeit üben!

STANDARD: Die Kirche tut sich mit Homosexualität schwer. Und Sie?

Gehring: Homosexualität ist eine Verirrung. Ich habe vor jedem, der sich homosexuell fühlt, Respekt. Da Homo-Ehe oder Adoptionsrecht abzuleiten, das passt nicht. Im Glauben gibt es einen Weg, wo sie zurückfinden können. Erfahrungsgemäß fühlen sich diese Menschen selbst nicht sehr wohl.

STANDARD: Würden Sie ein Kruzifix in der Hofburg aufhängen?

Gehring: Nicht nur eines. Viele - am besten in jedem Raum eines. (Peter Mayr und Nina Weißensteiner/DER STANDARD-Printausgabe, 1.4.2010)