Bild nicht mehr verfügbar.

Kurz nach 13 Uhr kollidierten am Dienstag am Cern bei Genf auch die Champagnergläser - weil man es schaffte, Teilchen mit Rekordenergie zusammenstoßen zu lassen.

Foto: REUTERS/Denis Balibouse

Bild nicht mehr verfügbar.

Jubel im Kontrollraum des LHC: Um 13:06 Uhr MESZ gelangen die ersten Teilchenkollisionen.

Foto: REUTERS/Denis Balibouse

Bild nicht mehr verfügbar.

CERN-Wissenschafter beobachten am Bildschirm eine Computerdarstellung der ersten Protonenkollisionen.

Foto: APA/ EPA/SALVATORE DI NOLFI
Foto:

Es geschah um 13.06 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit: Nach rund zwanzig Jahren Vorbereitung gelang es den Teilchenphysikern am Europäischen Zentrum für Teilchenphysik (Cern) bei Genf, zwei Protonenstrahlen mit bisher unerreichter Energie zum Kollidieren zu bringen und damit eine neue Ära in der Physik einzuläuten. Dass das keine leichte Übung ist, erläuterte Cern-Forscher Steve Myers im Vorfeld mit einem eingängigen Vergleich: Es sei so, wie zwei Nadeln über den Atlantik zu schießen, die sich auf halbem Weg treffen sollen.

Die Freude über das geglückte Experiment war unter den hunderten Forschern am Cern entsprechend überwältigend - und nicht nur dort: "Dies ist ein großartiger Tag, um Teilchenphysiker zu sein", meinte Cern-Generaldirektor Rolf Heuer per Videoübertragung aus Japan. "Eine große Zahl von Menschen hat lange Zeit auf diesen Moment gewartet, nun beginnt sich ihre Geduld und ihr Engagement auszuzahlen."

Geduld brauchte es auch an diesem Tag. Bereits seit zehn Tagen hatte man Protonenstrahlen mit einer Energie von je 3,5 Billionen Elektronenvolt (Tera-Elektronenvolt, TeV) nahe an der Lichtgeschwindigkeit durch den ringförmigen 27 Kilometer langen Tunnel gejagt. "Und auch in der Nacht lief es bis sechs Uhr früh noch super", wie Christian Fabjan, Direktor des Instituts für Hochenergiephysik der ÖAW berichtet (siehe Interview).

Dann allerdings kam es zu Stromschwankungen und der Protonenstrahl ging verloren. Also musste man die Maschine runterfahren, noch einmal starten und die Protonenstrahlen wieder auf die 3,5 TeV bringen, was jeweils rund eine Stunde dauert. Also wurde es nichts mit den ersten Zusammenstößen um 9 Uhr.

Kleine Anlaufschwierigkeiten

Waren es beim ersten Mal Problemen mit der Energieversorgung, bremste dann beim zweiten Anlauf kurz nach 10 Uhr ein Sicherheitssystem die Maschine irrtümlicherweise aus. Es sei keine Überraschung, wenn die Dinge nicht beim ersten Anlauf funktionierten, sagte Cern-Chef Heuer. "Solche kleinen Pannen sind absolut normal. Wir haben eine Unzahl von Komponenten, die alle zur selben Zeit funktionieren sollen." Beim LHC-Vorgänger LEP habe es eine Woche bis zur ersten Kollision gedauert.

Beim dritten Anlauf allerdings klappte dann alles nach Plan: Kurz nach 13 Uhr kollidierten am LHC Protonen mit einer bisher noch nicht erreichten Energie: Der bisherige Rekord war vom Teilchenbeschleuniger Tevatron bei Chicago gehalten worden, der allerdings nicht einmal ein Drittel der Energie erreichte.

Am Live-Stream direkt aus dem Cern waren jubelnde Forscher zu sehen, denen die Erleichterung und Freude ins Gesicht geschrieben stand: "Das ist der Moment, auf den wir alle gewartet haben", sagte Cern-Sprecher Jürgen Schukraft. Und weiter: "Wir haben eine sehr aufregende Zeit vor uns."

Tatsächlich beginnen nun, da die Maschine ihre Feuerprobe gestanden hat, die Mühen des teilchenphysikalischen Alltags: Zum einen werden die am LHC beschäftigen Physiker Milliarden und Abermilliarden von weiteren Kollisionen herbeiführen (beim ersten Anlauf waren es gerade einmal rund 100 pro Sekunde). Parallel dazu geht es um die sorgfältige Auswertung und Analyse des dabei entstehenden "Teilchenzoos".

Mit ganz spektakulären neuen Entdeckungen - also etwa die des Higgs-Teilchens oder die Beantwortung der Frage, wie Materie zu ihrer Masse kommt - wird man sich wohl noch gedulden müssen. Damit wird es wohl erst ab Ende 2012 so weit sein, wenn der LHC dann seinen zweiten historischen Moment erlebt - und mit 14 TeV Protonen kollidieren lässt. (Klaus Taschwer/DER STANDARD, Printausgabe, 31.03.2010)