Tanja Ostojić gab eine Annonce auf, in der sie ausdrücklich einen Mann mit EU-Pass suchte, heiratete daraufhin öffentlichkeitswirksam einen Deutschen, zog nach Düsseldorf und ließ sich einige Jahre später ebenso öffentlichkeitswirksam scheiden.

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Zur Erinnerung: Der einladend geöffnete weibliche Schoß, bedeckt durch einen knappen dunkelblauen Slip mit dem EU-Sternenkreis, sorgte im Jahr 2005 für einen veritablen Skandal. Frauen sind in der EU nur als Prostituierte willkommen - so lautete die Botschaft der feministischen Künstlerin Tanja Ostojić, in Anlehnung an Gustave Courbets Gemälde „Der Ursprung der Welt" aus dem Jahr 1866. Im Vorfeld der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft 2006 sollte das Plakat mit der „EU-Unterhose" im Rahmen einer internationalen Kunstausstellung die Diskussion rund um die Selbst- und Fremdwahrnehmung der EU entfachen.

Österreichs Image in der Welt gefährdet?

Erhitzt wurden aber auch die Gemüter der Boulevardpresse: Von der Kronenzeitung wurde das Plakat als staatlich subventionierte Pornographie bezeichnet, es wurden massive Ängste um das weltweite Image Österreichs geschürt. Recht spitzfindig, möchte man meinen, angesichts der Tatsache, dass gerade die Kronenzeitung mit Abbildungen nackter Frauen nicht geizt. Schließlich wurde der mediale Druck auf die Politik zu groß, und die Plakate mussten in Wien abgehängt werden.

Integration - ein Ding der Unmöglichkeit?

In dem 2009 erschienenen Band "Integration impossible? The Politics of Migration in the Artwork of Tanja Ostojić" werden 20 Kunstprojekte im Zeitraum 2000 bis 2008 präsentiert und illustriert. Im Anschluss wird das Werk der 1972 geborenen Künstlerin von Kunsttheoretikern im Migrationskontext diskutiert.

Um die Migration auf eigenem Leib zu spüren, scheute Ostojić nicht vor einer illegalen Überschreitung der EU-Außengrenze zurück. Sie nahm aber auch die Mühen der legalen Einreise in die EU auf sich, wobei sie das Schicksal hunderter serbischer Mitbürger teilte, die im August 2000 vor der österreichischen Botschaft in Belgrad buchstäblich campen mussten. Ostojić ließ auch eine weitere Spielart der Migration nicht unversucht, nämlich die Scheinehe: Sie gab eine Annonce auf, in der sie ausdrücklich einen Mann mit EU-Pass suchte, heiratete daraufhin öffentlichkeitswirksam einen Deutschen, zog nach Düsseldorf und ließ sich einige Jahre später ebenso öffentlichkeitswirksam scheiden.

Provokation und darüber hinaus

Ostojićs Aktionen sind sehr einprägsam, mitunter sogar schockierend, aber ihre Arbeit erschöpft sich keineswegs in der Provokation. So setzt sie etwa in der Videoperformance „Nacktes Leben" ihre eigene Nacktheit ein, um die Schutzlosigkeit von Roma-Familien eindringlich zu verkörpern. Die Künstlerin ergreift in ihren Arbeiten Partei für die Schwächeren, und das sind in diesem Fall die Fremden, die Migranten, die Flüchtlinge. Sie macht nachdrücklich aufmerksam auf das Elend jener, die den Verlockungen eines besseren Lebens innerhalb der Festung Europa erliegen und dafür sogar ihr persönliches Scheitern in Kauf nehmen.