Seit Wochen vergeht nahezu kein Tag, an dem nicht ein neuer Missbrauchsfall im katholischen Umfeld bekannt wird: Deswegen erklärt die Kirche nun die ehemalige steirische Landeshauptfrau Waltraud Klasnic zu ihrer Opferbeauftragten, wie Kardinal Christoph Schönborn nach Absprache mit den Bischöfen in der sonntäglichen ORF-Pressestunde verkündete.
Der Kardinal, der mit Klasnic am Gründonnerstag zusammentreffen will, lobte "die soziale Kompetenz" der Präsidentin der Hospizbewegung und ehemaligen ÖVP-Politikerin. Für die Finanzierung ihrer Tätigkeit werde die Kirche aufkommen, wobei allerdings keine Beiträge der Gläubigen eingesetzt werden, betonte Schönborn.
Klasnic soll eine unabhängige Kommission zu den Vorfällen zusammenstellen, denn: "Wir wollen die Unabhängigkeit der Aufklärung garantieren." Und: Wo Täter noch belangt werden können, müssen sie zur Rechenschaft gezogen werden, erklärte Schönborn. Der Kommission werden also keine Amtsträger der Kirche angehören. Sie soll jedenfalls auch festlegen, bei welchen Fällen finanzielle Zuwendungen notwendig sind. Wenn Täter etwa schon verstorben sind, müsse man bei der Finanzierung von Therapien einspringen.
Eine staatliche Kirchenkommission will Schönborn damit nicht vermeiden, auch mit einer solchen wolle man kooperieren.
Anzeigepflicht
Was die Anzeigepflicht betrifft, sprach sich der Erzbischof dafür aus, dass diese "bei einem schwerwiegenden Verdacht" erfolgen müsse, es sei denn, ein Opfer wäre damit nicht einverstanden - "dann ist dies zu respektieren". Eine Klärung noch offener Fragen dazu erwartet sich Schönborn von dem Runden Tisch, zu dem Justizministerin Claudia Bandion-Ortner und Familien-Staatssekretärin Christine Marek (beide ÖVP) geladen haben.
Klasnic selbst, derzeit im Ausland, meldete sich nur schriftlich zu Wort. Ihre Tätigkeit sei "keine einfache Aufgabe, aber Ehrenpflicht", damit "sehr Leidvolles ehrlich aufgearbeitet wird", erklärte sie. Klasnic will vor Ende April ihre Arbeit aufnehmen, der steirische Diözesanbischof Egon Kapellari dankte ihr für ihre Bereitschaft.
Fischers Rechtfertigung ist "töricht"
Zunächst etwas einsilbig gab sich Kardinal Schönborn zu den Gewaltvorwürfen gegen den Feldkircher Diözesanbischof Elmar Fischer. Fischer hatte zum konkreten Vorwurf, dass er in den Sechzigerjahren einen Jugendlichen auf einem Sommerlager mit Ohrfeigen zu Boden gestreckt haben soll, gesagt, er könne sich nicht erinnern, eine Ohrfeige könne in Einzelfällen auch "hilfreich sein". Dazu tauchten nun im Profil neue Vorwürfe auf: Fischer habe Buben beim Fußballspielen regelmäßig geohrfeigt und als Rektor im Studieninternat Marianum einem Schüler durch einen Fausthieb eine Rippe gebrochen. Schönborn dazu befragt: "Sonntagfrüh lese ich das Evangelium, aber nicht die Zeitung." Fischers Aussage, Ohrfeigen können "hilfreich sein", bezeichnete Schönborn allerdings als "nicht angebracht". Es stimme, dass in der Zeit die Einstellung zur körperlichen Züchtigung eine völlig andere gewesen sei, das heute zu rechtfertigen sei "töricht".
Aus Fischers Diözese hieß es, Geschädigte mögen sich an die Ombudsstelle, nicht an Medien wenden. Mit Vene Maier, den der Bischof im Sommerlager geohrfeigt haben soll, habe Fischer nach Ostern ein Gespräch. Kirchen-Insider erwarten, dass Fischer, der im Herbst 74 Jahre alt wird, noch heuer sein Pensionsansuchen stellt.
Die "Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt" gibt sich mit der Einrichtung der Kommission rund um Klasnic jedenfalls nicht zufrieden. Sie stellte noch am Sonntag ihre Unabhängigkeit infrage, der Schritt sei "nur ein paar Zentimeter in die richtige Richtung". (Jutta Berger, Nina Weißensteiner, DER STANDARD; Printausgabe, 29.3.2010)