Bis 2011 sollen alle drei Andasol-Anlagen bei Guadix (Granada) am Netz sein. Dann versorgen die Desertec-Wüstenstrom-Projektvorbilder rund 600.000 Menschen.

Foto: STANDARD/Marot

Die Vorbilder der Desertec-Wüstenstrom-Vision liefern auch nachts sauberen Strom.

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Dicke weiße Wolken steigen in den Himmel über der Hochebene von Guadix. "Keine Sorge, es ist der Wasserdampf, der die Turbinen antreibt" , beruhigt Carmen Granados von ACS Cobra. Die Technikerin werkt bei den solarthermischen Parabolrinnen-Kraftwerken Andasol I, II und dem im Bau befindlichen III (Fertigstellung 2011).

Auf über 1100 Meter Seehöhe zwischen Aldeire und La Calahorra, 70 Kilometer östlich von Granada, erstreckt sich Spaniens bester Landstrich für die solare Energiegewinnung. 3000 Sonnenstunden im Jahr misst man hier, rund tausend mehr als in Wien.

Fast 400 Grad heißes Spezialöl

Seit 2008 im Probebetrieb, ging am 1. Juli 2009 das erste CSP (Concentrated Solar Powerplant) Europas ans Netz. Das zweite startete vis-à-vis im selben Jahr seinen Testbetrieb. Es geht Schlag auf Schlag, denn hinter dem Projekt steht zum einen niemand Geringerer als Florentino Pérez. Der milliardenschwere Real-Madrid-Präsident nennt ACS Cobra Teil seines Imperiums. Konzipiert und erbaut worden sind die Anlagen von SolarMillennium aus Deutschland. In der Funktion ähnelt Andasol dabei durchaus Öl- oder Kohlekraftwerken. Mit dem Unterschied, dass gebündelte Wärme der Sonne die Turbinen antreibt und nicht verfeuerte fossile Brennstoffe.

"Vorsicht" , rät Granados, denn kurz nach Sonnenaufgang wird es spürbar heißer nahe der Spiegel. "Mancher Besucher brauchte im Anschluss viel Aftersun-Creme", scherzt sie. Denn das Sonnenlicht wird mittels Spiegeln in Parabelform auf ein zentrales Rohr fokussiert. Im Inneren fließen in zwei Kreisläufen bei knappe 100 Bar Druck 2000 Tonnen Spezialöl. Dieses wird auf fast 400 Grad erhitzt.

Die zwei Türme

Überdimensioniert viele Paneele machen die Produktion der auf je 50 Megawatt angelegten Kraftwerke plan- und steuerbar. Nur so könne man fossilen und nuklearen Brennstoffen auch kommerziell Paroli bieten. Als Pionier liefert Andasol nämlich auch nachts Sonnenenergie an derzeit etwa 200.000 kleine Haushalte. Möglich machen den Nachtsolarstrom riesige Speicher. Der Clou steckt in zwei Türmen, wo rund 28.500 Tonnen Natrium- und Kaliumnitratsalze Sonnenwärme bei Temperaturen zwischen 291 Grad morgens und 386 Grad abends konservieren. Ausreichend für siebeneinhalb Stunden Vollbetrieb, von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang.

Aber die Tanks dürfen niemals unter 221 Grad abkühlen. Darum dient Erdgas im Winter, wenn die Temperaturen auf minus zehn Grad sinken, zum Heizen. 12.000 Euro im Jahr würde das kosten, sagt Granados. Ein geringes Übel, denn andernfalls würden die Salzlösungen fest werden und die Anlage stünde Monate still. Bei Unwettern gehen die Spiegel zwar in Deckung, aber gegen das Hobby eines Nachbarn, der auf die Spiegel schoss, sagt Granados, wäre alle Technik machtlos gewesen. Die Polizei stellte schließlich den Übeltäter.

Auch das eine oder andere Leck der Ölkreisläufe würde man stets schnell geortet und behoben haben. Wermutstropfen bleiben die 870.000 Kubikmeter Kühlwasser aus der Sierra Nevada, die ein Andasol-Werk jährlich verbraucht. Denselben Verbrauch ergäbe laut ACS Cobra die Bewirtschaftung des Areals als Ackerland. Ein weiteres Problem ist, dass die staubige Umgebung eine regelmäßige Reinigung der Spiegel mit heißem destilliertem Wasser verlangt. Man will den Boden nun bepflanzen, um der Erosion Einhalt zu gebieten, und auch an staubabweisenden Oberflächen werde zeitgleich getüftelt. Man leiste eben Pionierarbeit mit der nahen Plataforma Solar de Almería. So könnte auch Meerwasser bei der Energiegewinnung entsalzt werden.

Wenn Energie vereint

Andasol ist Vorbild für die Desertec-Wüstenstrom-Anlagen (der STANDARD berichtete). Unternehmen aus der Europäischen Union (EU), den Mittelmeerstaaten und dem Nahen Osten sollen mit über 400 Milliarden Euro Investitionsvolumen aus Nordafrikas Wüsten sauberen Strom in die EU liefern. Denn mit lediglich drei Prozent der Sahara-Fläche könnte man den Weltstrombedarf decken, schätzen Experten.

Mit Österreichs OMV, Spaniens Red Electrica, Marokkos Nareva Holding und Saint-Gobain Solar aus Frankreich fanden sich kürzlich neue Partner zu den 17 Desertec-Hauptgesellschaftern (unter anderem Deutsche Bank, EON, RWE oder Siemens). 2050 soll dann Europas Energiesicherheit dezentral und in den südlichen Mittelmeeranrainerstaaten gesichert sein. Und der rasant wachsenden Bevölkerung der Schwellenländer wie Algerien oder Marokko wären wirtschafts-, energie- und umweltpolitisch langfristige Perspektiven eröffnet.

Marokkos König Mohammed VI. will in dieser Dekade Milliarden Euros in den Solar-Sektor stecken, um sich an Afrikas Spitze in "nachhaltiger Energie" zu positionieren. Für die Regierung von Spanien, wo Baukräne verwaist in nie bewohnten Geisterstädten stehen, markiert die Kraft der Sonne und des Windes Hoffnungsschimmer für hunderttausende Arbeitslose. (Jan Marot aus Guadix, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.3.2010)