Maria Richter und Thomas Weiß untersuchten, wie schmerz-assoziierte Worte im Gehirn verarbeitet werden.

Foto: Peter Scheere/FSU

Jena - "Achtung, jetzt piekst es gleich" - die Ankündigung einer Spritze hinterlässt bei vielen ein mulmiges Gefühl. Und sobald die Nadel der Spritze die Haut berührt, ist der stechende Schmerz zumeist auch schon deutlich zu spüren. "Nach einer solchen Erfahrung reicht es dann bei der nächsten Impfung schon aus, sich allein das Bild der Nadel ins Gedächtnis zu rufen, um unser Schmerzgedächtnis zu aktivieren", erläutert Thomas Weiß von der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Wie der Psychologe und sein Team jetzt in einer Studie zeigen konnten, sind es jedoch nicht nur schmerzhafte Erfahrungen und Assoziationen, die unser Schmerzgedächtnis alarmieren. "Auch verbale Reize führen in den entsprechenden Hirnarealen zu einer Aktivierung", so Weiß. Sobald wir Worte wie "quälend", "zermürbend" oder "plagend" hören, werden im Gehirn genau die Regionen aktiviert, in denen wir Schmerzen verarbeiten, konnten die Psychologen der Uni Jena mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) beobachten.

Untersuchung

Das Jenaer Team hat untersucht, wie gesunde Probanden Worte verarbeiten, die mit dem Empfinden von Schmerzen assoziiert sind. Um auszuschließen, dass die beobachteten Reaktionen allein auf einem negativen Affekt beruhen, bekamen die Studienteilnehmer neben den Schmerz-Worten auch andere negativ besetzte Worte - etwa "angsteinflößend", "widerlich" oder "eklig" - zu hören. "Wir haben unseren Probanden dabei zwei Aufgaben gestellt", erläutert Doktorandin Maria Richter. In einem ersten Versuch ging es darum, dass sich die Versuchspersonen zu den Worten eine entsprechende schmerzhafte Situation vorstellen. Bei der zweiten Aufgabe hörten die Probanden die Worte, während sie durch eine Denkaufgabe abgelenkt wurden. "In beiden Fällen haben wir eine deutliche Aktivierung der Schmerzmatrix im Gehirn durch die schmerz-assoziierten Worte festgestellt", so Richter. Andere negativ besetzte Worte aktivierten diese Regionen dagegen nicht. Auch bei neutralen und positiv besetzen Worten ließen sich keine vergleichbaren Aktivitätsmuster feststellen.

Schlussfolgerungen

"Diese Befunde zeigen, dass allein schon Worte unser Schmerzgedächtnis aktivieren können", macht Weiß deutlich. Dass wir schmerzhafte Erfahrungen in unserem Schmerzgedächtnis speichern, sei biologisch sinnvoll, da es uns ermöglicht, schmerzenden Erlebnissen, die potenziell eine Bedrohung für Leib und Leben sind, künftig aus dem Wege zu gehen. "Unsere Ergebnisse legen jedoch zusätzlich nahe, dass verbalen Reizen eine bisher unterschätzte Bedeutung zukommt", so Weiß.

So stellt sich für die Psychologen nun vor allem die Frage, welche Rolle die verbale Auseinandersetzung mit Schmerzen für Patienten mit chronischen Schmerzen spielt. "Diese Patienten sprechen sehr häufig über ihr Schmerzempfinden, etwa mit ihrem behandelnden Arzt oder dem Physiotherapeuten", so Richter. Möglicherweise verstärkten diese Gespräche die Aktivität der Schmerzmatrix im Gehirn und führten so zu einer Verstärkung der empfundenen Schmerzen. Dies soll  nun in einer weiteren Studie untersucht werden. Der abschließende Tipp für Ärzte und Ärztinnen beim Verabreichen einer Spritze: Nicht über Schmerzen reden, dann ist sie vielleicht weniger schmerzhaft. Es könne jedenfalls nicht schaden ... (red)