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Ex-Spitzenkandidat der ODS, Mirek Topolánek (li.), und der neue Kandidat Petr Neèas.

Foto: Reuters/David W Cerny

Kurz vor den Wahlen tauscht seine Partei nun ihren Spitzenkandidaten aus.

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Tschechiens Bürgerliche erlebten am Donnerstag ein politisches Erdbeben. Zwei Monate vor den Parlamentswahlen, bei denen ihnen laut Umfragen eine Niederlage droht, tauschte die rechtsliberale Demokratische Bürgerpartei (ODS) ihren bisherigen Spitzenkandidaten, Parteichef Mirek Topolánek, aus. Neuer Spitzenkandidat soll der frühere Vizepremier und Arbeits- und Sozialminister Petr Neèas (46) werden.

Topolánek, der zwischen 2006 und 2009 Regierungschef gewesen war, warf den Kirchen vergangenes Wochenende in einem Interview "Verdummung der Massen" und "Gehirnwäsche" vor und meinte, die jüdische Herkunft von Premier Jan Fischer wäre die Ursache für dessen Konfliktscheue.

Die Aussagen des früheren Regierungschefs riefen einen Sturm der Entrüstung aus. Topoláneks Karriere stand daher schon vergangenen Dienstag auf der Kippe, als das Parteipräsidium zwölf Stunden lang über seine weitere politische Zukunft beriet. Auch wenn dem Vernehmen nach eine Mehrheit der Anwesenden Topolánek zum Verzicht auf die Spitzenkandidatur bei den bevorstehenden Wahlen und auf den Parteivorsitz drängte, erklärte dieser anschließend, er habe den Entschluss gefasst, bleiben und die Partei zum Wahlsieg führen zu wollen. Am Donnerstag, während einer Sitzung des Parteivorstands, gab Topolánek jedoch auf. Er erklärte, dass er sich als landesweiter Spitzenkandidat zurückziehen und auch nicht für das Parlament kandidieren werde.

Parteichef auf Abruf

Parteivorsitzender will er bis auf weiteres bleiben. Politische Beobachter gehen jedoch davon aus, dass es eine Frage der Zeit ist, bis Topolánek auch den Parteivorsitz niederlegt. Die verbalen Ausrutscher Topoláneks waren der letzte Anlass für den Bruch zwischen ihm und der Partei in einem bereits seit mehreren Jahren zerrütteten Verhältnis.

War Topolánek noch zu Oppositionszeiten der Prototyp eines erfolgreichen Politikers, der siegreich von Wahl zu Wahl ging, gelang es ihm bereits als Regierungschef immer seltener, die Reformpolitik und die notwendigen Kompromisse gegenüber den kleinen Koalitionspartnern und der eigenen Anhängerschaft zu verkaufen. Der neue ODS-Spitzenkandidat Petr Neèas war unter den fünf Stellvertretern Topoláneks stets der unauffälligste. Früher war er Sicherheitssprecher und auch als Verteidigungs- oder Innenminister im Gespräch.

Vor den letzten Wahlen war er maßgeblich an der Entwicklung eines Sozialprogramms beteiligt und als Arbeits- und Sozialminister eine von Topoláneks wichtigsten Stützen in der Regierung. Als Nicht-Prager muss er nun genau wie Topolánek mit Querschüssen des einflussreichen Prager Regionalverbands rechnen. (Robert Schuster aus Prag, DER STANDARD, Printausgabe 27./28.3.2010)