Poul Gernes "Target  B"

Foto: Mumok

Wien - Was etwa, soll man sich im Wiener Museum Moderner Kunst fragen, verbindet Poul Gernes Zielscheibenbild (Target) A B C D aus den Jahren 1966 bis 68 mit Ugo Rondinones Zielscheibe Nr. 214 Vierundzwanzigsterjulizweitausendnull aus dem Jahr 2000? Und was verbindet die beiden Arbeiten mit einer jener Zielscheiben, wie sie uns von Jasper Johns aus den 1970er-Jahren überliefert sind?

Gernes' und Rondinones strenge Zentralkompositionen sind aus der Daimler-Kunst-Sammlung, die eben mit "Diskursiver Malerei von Albers bis Zobernig" im Mumok gastiert; und Jasper Johns jedenfalls hat Ugo Rondinone beim Malen still mitgedacht (ganz so wie ihn alle Besucher mitdenken können/müssen, befinden sich doch Johns' Targets nicht in der Daimler-Sammlung).

An Poul Gernes hat Rondinone womöglich auch gedacht. Aber auch der hat weder die Zielscheibe an sich erfunden noch deren Verwendung als Motiv. Und außerdem könnte man locker behaupten, dass Ugo Rondinone an die Jahresringe eines Baumes dachte, als er seine Acrylkreise auf der Leinwand zog; oder an The Who; oder an On Kawara, der jetzt wiederum überhaupt nichts mit Kreisen im Sinn hat, aber sehr am genauen Datum hängt. Obwohl ja über Ungegenständliches verhandelt wird, über klassisch Modernes von Josef Albers bis Oskar Schlemmer, die europäische Nachkriegsavantgarde wie Zero und Op-Art, über den Minimalismus und die noch weitaus zitierfreudigere jüngere Vergangenheit (Neo-Geo) und die einschlägige Gegenwart, die wieder Rondinone repräsentiert.

Zeiten, Länder und Stile

Michael Kidner - er wurde 1917 in Northamptonshire geboren und hat in den 1960ern eine Serie von Nachbildern, sogenannte Circle-After-Images, auf Leinwand gebannt - sieht das so: "Ich möchte der Farbe ein rationales Element geben - lasse sie sich entwickeln und überlasse die Äußerungsformen des Unbewussten sich selbst." Also uns, die wir im Mumok auch mit ansehen müssen, wie Sarah Morris aus einem Rasterbild, welches De Stijl zitiert, indem es eben nicht dessen Farben verwendet, die Illusion eines Lagerregals ins Betrachterauge springen lässt; gut 30 Jahre nachdem der Brite Jeremy Moon ein vergleichbares, bunt gefülltes Liniennetz wie eine gefaltete Serviette hat erscheinen lassen.

Zu alldem haben selbstverständlich auch die Postmoderne, die Videokunst und die Fotografie einiges anzumerken; in ein und derselben Ausstellung, in ein und derselben Sammlung, die - so betrachtet, wie deren aktuelle Präsentation das pädagogisch absichtsvoll nahelegt - zeigt, was seit der Anlage des ersten Bildes unausweichlich ist: Bilder kommen von Bildern, Kunst kommt von Kunst. Und irgendwann war es unausweichlich, offenzulegen und anschaulich zu machen, was den Fortschritt antreibt: das Zitat, die Kopie, die Ironie, die Paraphrase, die minimale Abweichung.

Seit der Demokratisierung des Katalogs etwa durch Taschen und der Gleichzeitigkeit von billigen Fernreisen und im Eilschritt wandernden Ausstellungen holt die Vorhut laufend die Nachhut ein. Und da können einem dann schon einmal die Zeiten, die Länder und die Stile durcheinanderkommen. (Markus Mittringer / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26.3.2010)