Bildschirmtauglicher Nachbau einer alpinen Landschaft von Ian Burns.

Foto: Hilger Contemporary

Wer einmal in Venedig einen japanischen Touristen beobachtet hat, wird dieses Phänomen kennen: Dieser schaut unermüdlich, sein Auge löst er jedoch niemals vom Sucher der Videokamera, betrachtet die Welt einzig durch die Linse. Alles, was für das Kameraauge unsichtbar bleibt, wird er nicht sehen. Und es wird daher für ihn auch nicht existieren, niemals Teil seiner Wirklichkeit sein.

Der in New York lebende Künstler Ian Burns beschäftigt sich mit der Konstruktion von Bildern - mit TV- und Filmbildern, aber auch Weltbildern. Er hinterfragt ihr Gemachtsein, ihre Repräsentation von "Wahrheit": Burns interessieren Wahrnehmung und Unterscheidung von "Wirklichkeit".

Also baut der 46-Jährige, der neben Kunst auch Technik studierte, fiktionale Welten aus Alltagsgegenständen, Lichtquellen und ein bisschen chemischem und technischem Zauber: experimentelle Versuchsanordnungen oder auch kinetische Dioramen, die durch integrierte Kameras gleichzeitig noch mediale Livebilder der Illusion liefern.

Burns spielt mit der Bequemlichkeit des Betrachters, dem faulen Zauber, dem trickreichen Kulissenspiel von Film und TV willentlich zu erliegen: Statt die offensichtliche Fälschung mit bloßem Auge als solche zu entlarven, könnte es erstrebenswert erscheinen, die Elemente der Installation für "realer" zu halten als jene Orte und Situationen, die sie nachbilden. Themen wie dem Irakkrieg, Fernsehkultur oder Kolonialismus hat sich Burns auf diesem mit Klischees gepflasterten Weg angenähert. In der Ausstellung Schrapnell from Märchenland bei Hilger Contemporary ist es die Arktis, der sich Burns widmet, also ein Ort, von dem präzise, medial vermittelte Bilder und Vorstellungen existieren. Wenige waren jedoch tatsächlich dort - etwa Ian Burns.

In der Ausstellung schleudert er den Betrachter zwischen Märchenkonstruktionen und realen Arktisbildern hin und her. Erstere biedern sich an: verkaufen einen auf dem Rücken liegenden und von einer Nebelmaschine eingelullten Spielzeugbären auf weißem Schneidebrett als elendig und einsam auf einer Scholle verendeten Eisbären (Stupid Harsh Reality). Letztere basieren auf Burns vor Ort gesammelten Erfahrungen - wie etwa die mühevolle Energiegewinnung für einen Toast-Vorgang (Mork Loaf - 80°N) - und fordern zur reflexiven Auseinandersetzung auf. Humorvoll. Kritisch.
(Anne Katrin Feßler/ DER STANDARD, Printausgabe, 25.3.2009)