Kerstin von Gabain verzichtet in ihren Aufnahmen von der Fuckparade (1999), einer Gegenveranstaltung zur kommerzialisierten Berliner Love Parade, auf Hipness und Glamour.

Foto: Gabriele Senn Galerie

Das reduzierte Setting in der Galerie Senn lässt nicht sofort erahnen, dass sich die Künstlerin Kerstin von Gabain in der Ausstellung No Minimum mit einer Straßenparty befasst: Im ersten Raum hängen vier relativ kleine Farbfotografien, im zweiten sind abstrahierte Logos zu sehen und im dritten Raum läuft ein Video.

Selbst Teil der Techno- und Rave-Kultur, dokumentiert Kerstin von Gabain bereits seit mehreren Jahren die Events der sogenannten Free-Party-Szene, die auch die Fuckparade in Berlin organisiert. Als Gegenveranstaltung zur immer kommerzieller werdenden Love Parade 1997 gegründet, stellte man bei der Fuckparade wieder politische Themen sowie den Protest gegen die zunehmende Reglementierung des öffentlichen Raumes ins Zentrum.

In ihrer Ausstellung zeigt die 1979 in Palo Alto (USA) geborene Künstlerin vier Fotografien, die sie bei der Parade von 1999 aufgenommen hat: Sie sind bewusst unspektakulär gehalten und zeigen nie die Masse, sondern einzelne Personen und Gruppen, die die Straße gehend, sitzend und redend bevölkern.

Gabain verzichtet in den Aufnahmen auf Hipness und Glamour und nähert sich der Szene mit der gebotenen Ernsthaftigkeit, um die ebenso ernsthaften Anliegen auch adäquat zu vermitteln.

Während einer späteren Fuckparade ist auch ein Videoclip entstanden, der auf Youtube kursiert: Kneecam No. 1 - the original technoviking tape from 2000 titelt die Originalversion. Sie zeigt einen Paradeteilnehmer, der eine junge Raverin mit einer mittlerweile legendär gewordenen Drohgebärde vor einem pöbelnden Passanten beschützt. Auf Youtube bereits mehrfach kopiert, zitiert auch Gabain in einem Video die effektvolle Geste, die von Selbstermächtigung genauso erzählt, wie sie das Geschlechterverhältnis der Szene thematisiert oder die Rolle von Original versus Kopie infrage zu stellen versucht.

Den Sound lässt die Künstlerin auch dieses Mal außen vor: Im mittleren Raum der Galerie wird das Erkennungszeichen der Szene, eine Fahne namens black-drop, abstrakt variiert. Im ersten Raum steht ein Kassettendeck, das noch am ehesten an eine Soundinstallation erinnert: Zu hören ist aber nur Rauschen, denn die Künstlerin hat die Musik, die vor Kurzem noch in, Community-bildend und identitätsstiftend war, aus Versehen gelöscht. (Christa Benzer / DER STANDARD, Printausgabe, 25.3.2009)