Man könne die Kirche nicht mit Ave Marias führen, merkte einst Erzbischof Paul Marcinkus, zu Lebzeiten berühmt berüchtigter Chef der Vatikan-Bank (IOR) an. Den Beweis dafür tritt der italienische Journalist Gianluigi Nuzzi in seinem, jetzt erstmals auf Deutsch erschienen, Sachbuch Vatikan AG an.

Denn die Weste des Kirchenstaats scheint alles andere als weiß zu sein: Konten für Mafiosi, Schmiergelder, Vertuschung. Viertausend geheime Dokumente des Heiligen Stuhls - Briefe, vertrauliche Mitteilungen, Aktennotizen, Protokolle, Kontoauszüge und Buchungsbelege - hat Nuzzi akribisch analysiert.

Die Dokumente stammen aus dem Nachlass Monsignore Renato Dardozzis (1922-2003), bis Ende der Neunzigerjahre einer der wichtigsten Mitarbeiter des IOR. Belegt werden unter anderem skrupellose Finanzspekulationen der Gottes-Banker und ihr Zusammenspiel mit dem Mafia-Geldwäscher Michele Sindona und dem Bankrotteur Roberto Calvi. Ende der Achtzigerjahre schien mit dem Crash der Ambrosiano-Bank, der rätselhaften Ermordung Calvis und Sindonas sowie dem Rückzug von Erzbischof Marcinkus aus der Leitung des IOR der Schlussstrich unter ein unrühmliches Kapitel der Vatikanbank gezogen. Aber dann - so beweisen die Dokumente - begann alles wieder von vorn. Seit 1992 entstand ein neues, noch raffinierteres System mit Nummernkonten, über die hunderte Milliarden Lire verschoben wurden.

Nuzzis Buch wurde 2009 von großen Fernsehanstalten Italiens sowie einigen Zeitungen völlig ignoriert, was den Verkauf nicht beeinträchtige. 250.000 Stück gingen 2009 über den Ladentisch. Und die plötzliche Abberufung von Vatikan-Bankchef Angelo Caloia durch Papst Benedikt XVI. lag zeitlich auffallend nah beim Erscheinungsdatums. (Markus Rohrhofer/DER STANDARD, Printausgabe, 25.3.2010)