Göttingen - Für viele Zivilisten und Soldaten geht der Golfkrieg nie zu Ende. Erinnerungen an die traumatischen Erlebnisse werden Tausende Menschen ihr Leben lang quälen. Experten nennen dies Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS), unter denen neben Überlebenden von Kriegen besonders häufig auch Opfer von Vergewaltigungen, sexuellem Missbrauch oder Folter leiden.

"Flashbacks"

Charakteristisch für dieses Krankheitsbild ist vor allem ein unwillkürliches intensives Nacherleben der Erlebnisse in so genannten Flashbacks, wie der Leiter der Abteilung für Psychosomatik der Medizinischen Hochschule Hannover, Friedhelm Lamprecht, berichtet. "Die Patienten fühlen sich, als ob sie in der traumatisierenden Situation selbst wären."

Sie sind generell körperlich übererregt, leiden oft unter Albträumen und vermeiden alles, was sie an die zurückliegenden Ereignisse erinnern könnte, wie der Professor erläutert. Denn schon ein einzelner Sinneseindruck, etwa eine bestimmte Farbe oder der Geruch von Feuer, könne ausreichen, um sie in die Situation zurückzukatapultieren, der sie dann hilflos ausgeliefert sind - oft verbunden mit Angstzuständen und körperlichen Problemen wie Herzrasen oder Atemnot.

Wucht von Emotionen

Mit solchen Symptomen wurde Lamprecht schon Anfang der siebziger Jahre in den USA konfrontiert, wo er zurückgekehrte Vietnam-Veteranen psychoanalytisch behandelte. "Wir haben uns damals dem Trauma unsachgemäß genähert und dadurch Flashback-Reaktionen induziert", berichtet der Experte, der von der Wucht der dabei freigesetzten Emotionen überrascht wurde. In einem solchen Flashback hielt ihn ein Patient für einen Vietkong-Kämpfer und bedrohte ihn mit einem Messer.

Fast 30 Jahre nach Ende des Vietnamkrieges sind laut Lamprecht noch 400.000 bis 500.000 Kriegsveteranen solchen Erinnerungsattacken ausgesetzt. Bei vielen Kriegsopfern tritt eine so genannte Amnesie ein: Das Erlebnis wird oft jahrelang teilweise oder sogar vollständig verdrängt. Erst ein Schlüsselreiz ruft die Erinnerung dann schlagartig ins Bewusstsein zurück.

Stabilisierungsübungen

Die Behandlung der Vietnam-Veteranen führte Anfang der achtziger Jahre zur Beschreibung der PTBS-Symptomatik und zu einem tieferen Verständnis. "Heute weiß man, dass man ganz anders damit umgehen muss", berichtet Lamprecht. "Ganz wichtig sind Stabilisierungsübungen, bevor man sich überhaupt dem Trauma nähern kann." In dieser Phase sollen die Patienten etwa durch Imaginationsübungen Vertrauen entwickeln und auf die Konfrontation mit dem Trauma vorbereitet werden.

Nach dieser Stabilisierung beginnt die eigentliche Traumabearbeitung. Je nach Schwere geht der Therapeut das Trauma sofort als Ganzes an, oder er tastet sich zusammen mit dem Patienten schrittweise an die Wunde heran. Ein Beispiel hierfür ist die so genannte Tresorübung: Der Traumatisierte stellt sich vor, den Schlüssel zu einem Tresor in der Hand zu halten, der die traumatische Erfahrung enthält. Diesem Tresor entnimmt er zunächst aber nur eine Kleinigkeit, die anschließend besprochen wird. In der kognitiven Verhaltenstherapie begeben sich die Patienten gezielt in Situationen, die sie sonst auf Grund des Traumas vermeiden. Dieser Stimulus wird dann planmäßig gesteigert. Indem das Trauma wiederholt aktiviert wird und die befürchtete Katastrophe ausbleibt, erlernen die Patienten ein Gefühl von Sicherheit und Kontrolle über die belastenden Erinnerungen.

Hilflos im Irak ...

Auf derartige therapeutische Hilfsangebote können nach dem Ende des Irak-Krieges aber nur die amerikanischen und britischen Soldaten hoffen. Sie werden in eine intakte Gesellschaft zurückkehren. Die Infrastruktur des Irak dagegen ist nach den verheerenden Angriffen der Alliierten weitgehend zerstört. "Da wird es darum gehen, dass man genug zu essen und zu trinken und sauberes Wasser hat, und dass die körperlichen Wunden notdürftig versorgt werden", glaubt Lamprecht. Angemessene psychologische Behandlung wird es für die überlebenden Iraker zunächst nicht geben. "Sie werden hilflos zurückgelassen." (APA/AP)