Fleisch ist erlaubt, auch Eier und Käse. Die Aufnahme von Kohlenhydraten soll bei "Low-Carb"-Diäten hingegen stark eingeschränkt werden.

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Den Fettrand vom mageren Fleisch wegzuschneiden - darauf können Anhänger der Low-Carb-Diät verzichten. Denn: Nicht Fett mache dick, sondern Kohlenhydrate, behaupten deren Erfinder.

Was Atkins-, South-Beach-, Hollywood-Star- oder Mayo-Diät propagieren - wenig Kohlenhydrate, dafür viel Fett und Proteine - war bereits im Europa des 19. Jahrhunderts in Mode gekommen. Die Low-Carb-Euphorie wurde damals durch das Diätbuch des Engländers William Banting ausgelöst. Der Bestattungsunternehmer, der mehr als 100 Kilogramm wog, wandte sich aufgrund seiner Gewichtsprobleme an einen Londoner Arzt, der ihm eine spezielle kohlenhydratarme Diät empfahl: Der Brite sollte wenig Getreide und Zucker, stattdessen viel Fleisch, Ei, Obst und Gemüse zu sich nehmen. Angeblich nahm Banting dadurch binnen eines Jahres mehr als 20 Kilogramm ab und war davon derart begeistert, dass er in den 1860er Jahren das Buch "Letter on Corpulence" verfasste, in dem er seine Erfahrungen mit der Diät festhielt. Das Buch gilt als das erste bekannte Buch über eine Low-Carb-Diät. Die Banting-Diät, der Name unter der diese Abmagerungskur populär wurde, ist somit Vorläufer moderner Low-Carb-Diäten.

Viel Fett und Eiweiß, wenig Kohlenhydrate

In den 1970er Jahren erlebten verschiedene Varianten der Low-Carb-Diät ein Revival. Sie alle versprechen einen deutlichen Gewichtsverlust durch die Reduktion aufgenommener Kohlenhydrate (low carbohydrate) und konzentrieren sich auf fett- und proteinreiche Lebensmittel. Eine der populärsten Low-Carb-Diäten, die vor allem in den USA Anklang findet, ist die Ernährungsweise nach den Regeln des Kardiologen Robert Atkins. Leichte Modifizierungen der Atkins-Diät finden unter den Namen South-Beach-, Logi-, Mayo-, Glyx- oder Hollywood-Star-Diät eine weitere Anhängerschaft.

Der Verzicht auf bzw. die starke Reduktion von kohlenhydratreichen Lebensmitteln wird bei dieser Diätform groß geschrieben. Vor allem Lebensmittel mit einem hohem Glykämischen Index* wie Nudeln, Weißbrot, Kuchen, Kartoffeln oder Zucker sollen gemieden werden. Fleisch, Fisch, Käse und Eier dürfen indessen nach Belieben verzehrt werden, auch Alkohol ist erlaubt. Der Stellenwert von Obst, Gemüse und Ballaststoffen wird beispielsweise bei der Atkins-Diät wenig berücksichtigt, findet bei einigen ähnlichen Diäten aber mehr Beachtung.

Um die Logik der kohlenhydratarmen Ernährungsweise zu unterstreichen, werden sogar evolutionstheoretische Erklärungen gerne herangezogen: Während unsere Vorfahren sich schon immer großteils von Fleisch ernährten, wurden kohlenhydratreiche Lebensmittel wie Getreide erst mit Aufkommen von Ackerbau und Viehzucht, also mit Beginn der Sesshaftigkeit, in den Menüplan aufgenommen, so die Low-Carb-Anhänger. Auch die Nahrungsmittelindustrie in den USA hat die Low-Carb-Euphorie für sich entdeckt: Neben "Light" und "No-Fat"-Produkten füllen jetzt auch "Low-Carb"-Produkte mit wenig Kohlenhydraten die Supermarktregale.

Energie aus Fettverbrennung

Kohlenhydrate gehören zu den Hauptbestandteilen unserer Nahrung und dienen dem Körper zur kurzfristigen Energiegewinnung. Benötigt der Organismus gerade keine Energie, wandelt er die Kohlenhydrate zu Fett um. Protein kann der Körper im Gegensatz zu Kohlenhydraten nicht speichern, überschüssiges wird ausgeschieden. Als Brennstoff zur Energiegewinnung bleibt dem Körper daher vor allem Fett. Während des Fettabbaus produziert der Körper vermehrt Ketonkörper, Stoffe, die das Hungergefühl mindern. Der Körper wird daher durch einen Mangel an Kohlehydraten gezwungen, seine eigenen Fettdepots als Energielieferant zu nutzen, was die Kilos purzeln lässt.

Was bringts?

Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Thematik nahm in den vergangenen Jahren deutlich zu, an aussagekräftigen Langzeitstudien mangelt es immer noch. Fachartikel, die den Gewichtsverlust mittels kohlenhydratarmer Ernährung unter die Lupe nahmen, räumten der Low-Carb-Diät großteils Erfolg ein. Vergleichsstudien zeigten, dass sich mit einer kohlenhydratarmen Ernährung schneller abnehmen lasse als mit einer fettarmen Diät. Langfristig glich sich der Diäterfolg beider Methoden allerdings wieder an. Warum bei dieser Fett-Protein-Kur dennoch gerade zu Beginn die Kilos purzeln, sei aber auch auf eine reduzierte Kalorienzufuhr zurückzuführen. Abnehmwillige werden früher satt und nehmen deshalb ungewollt gesamt weniger Kalorien auf.

Pro & Kontra für die Gesundheit

Studien zu den gesundheitlichen Auswirkungen fielen bisher uneinheitlich aus. Einige Untersuchungen deuteten positive Auswirkungen auf bestimmte Herzrisikofaktoren an, während andere die Diät in Verbindung mit negativen Auswirkungen auf die Gesundheit rücken. Diät-skeptische Ernährungswissenschafter weisen auf die erhöhte Fettzufuhr und damit einhergehend das größere Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Gefäßschäden hin. Die hohe Proteinzufuhr sei gerade auch für Menschen mit Gicht oder Nierenproblemen ungeeignet. Zudem würden einige Diät-Formen gesunde Nahrungsmittel und essenzielle Nährstoffe einschränken und einen Mangel an Vitaminen und Mineralstoffen verursachen. Diät-Befürworter propagieren die Low-Carb-Ernährungsweise mitunter als Dauerernährung: Die Diät senke den Cholesterin- und Blutzuckerspiegel und beuge daher Diabetes und Übergewicht vor.

Die Österreichische Gesellschaft für Ernährung gibt als Richtwert an, dass mindestens die Hälfte der täglichen Energiezufuhr für eine ausgewogene Mischkost in Form von Kohlenhydraten zugeführt werden soll. Dagegen wird geraten, nur rund 30 Prozent der Energiezufuhr aus Fetten und 8-10 Prozent aus Proteinen aufzunehmen. Der Ernährungsstil "Low-Carb" widerspreche damit völlig den Prinzipien einer ausgewogenen Ernährung.

Kein Kalorienzählen

Beliebt sind diese kohlenhydratarmen Ernährungsformen unter anderem deshalb, weil sie den Ernährungsstil nicht zu stark einschränken. Anders als bei Crash- oder Nulldiäten, die den Abspeckwilligen mitunter das Beschränken auf ein einziges Lebensmittel oder den Verzicht auf Nahrung insgesamt abverlangen, schränkten gängige Low-Carb-Diäten den Ess- und Lebensstil nur bedingt ein. Essen, ohne Kalorien zu zählen und ohne auf fettreiche Lebensmittel verzichten zu müssen und trotzdem Gewicht verlieren, hört sich als Diätprogramm fast zu gut an. Wissenschaftler und Experten kritisieren, dass eine langfristige Umstellung der Ernährungsweise, wie sie zum dauerhaften Abnehmen nötig sei, damit nicht zu erreichen sei. Die verbotenen Kohlenhydrate würden irgendwann zu einer regelrechten Aversion gegen das viele fette Essen führen - Heißhunger, Regelverstöße und Rückfälle seien daher langfristig vorprogrammiert. (derStandard.at, 25.03.2010)