I like an escalator because an escalator can never break, it can only become stairs. Mitch Hedberg

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Joseph Weizenbaum, einer der Väter der Artificial Intelligence, schrieb 1976 ein Buch über „Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft“, von dem ich Ihnen hier 2 Thesen in Erinnerung rufen will. Die erste, „dass es Unterschiede zwischen denkenden Menschen und denkenden Maschinen gibt“, ist nur für den belanglos, dem seine Maschinennatur weit mehr ist als eine zweite Haut. Die zweite These ist weniger allgemein aber um nichts weniger aktuell: dass es nämlich „bestimmte Aufgaben gibt, zu deren Lösung keine Computer eingesetzt werden sollten, ungeachtet der Frage, ob sie zu deren Lösung eingesetzt werden können."

Diese kleine aber feine Unterscheidung zwischen dem Möglichen und dem Wirklichen geht viel weiter als man glaubt. Denn das Mögliche, so wie Weizenbaum es versteht, ist nicht bloß eine unvermeidliche Stufe auf einem linearen Weg der maschinellen Umsetzung, sondern vielmehr ein Stachel, der unsere Vorstellungskraft und unser Denken beflügeln kann. Im besten Fall ein Gegenentwurf zu dem, was da ist: kontra-faktisch.

Warum ich Ihnen das erzähle? Weil im wirklichen Leben das Mögliche, das Ungewisse, das Unscharfe und das Schöpferische sich die Hand geben. Und wir im wirklichen Leben alles daran setzen, diese Unschärfe loszuwerden, anstatt sie produktiv zu nutzen. Auch FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher, der Weizenbaum weitergelesen hat, konstatiert, dass wir – der Innovationsflut oder -wut zum Trotz – dabei sind, unsere Vorstellungskraft, die es uns erlaubt, das „Leben nach anderen als den vom Computer vorgegebenen Regeln zu beurteilen“, zu verlieren. Als Beleg dienen ihm unter anderem die Experimente von Ellen J. Langer, die damit bereits 1979 nachweisen konnte, wie Unsicherheiten in der Informationsbereitstellung dazu beitragen, dass Menschen neue Perspektiven entwickeln und kreativ nach Lösungen suchen.

In einem davon wurde allen Testpersonen eine Reihe von gleichen Gegenständen präsentiert. Der ersten Gruppe mit den Worten: „Das ist eine Verlängerungsschnur“, „Das ist ein Föhn“, „Das ist ein Kauspielzeug für Hunde“. Der zweiten Gruppe zeigt sie die gleichen Dinge, baut aber eine Unsicherheit in die Information ein: „Das könnte ein Haartrockner sein“, Das könnte ein Kauspielzeug für Hunde sein“ und so weiter. Das Experiment endet damit, dass die Wissenschaftlerin ihre Anweisungen scheinbar zurücknimmt und damit eine Ausnahmesituation erzeugt, in der die Personen der zweiten Gruppe – denen Objekte mit unsicherer Information präsentiert wurden – einen Lösungsweg finden, welcher der ersten Gruppe ausnahmslos entgeht.

Die Eindeutigkeit, die uns Computerdaten suggerieren, ist offenbar keine Hilfe, wenn es darum geht, neue Lösungen zu finden. Es geht hier wohlgemerkt nicht darum, dass Computer falsch rechnen. Es geht darum, wie wir uns durch die Art, Informationen zu präsentieren, gleichzeitig die Chance zur freien Wahl und zur bahnbrechenden Idee nehmen. Es geht um unseren Umgang mit dem Neuen und die Frage, wie wir es unabhängig von minutiösen statistischen Verteilungen und ausgeklügelten Visualisierungen bewerten und interpretieren.

Im Blog von Tim O`Reilly fand ich vor einiger Zeit ein köstliches Video über den TechSupport im Mittelalter. Es zeigt, dass eine gewisse Begriffsstutzigkeit durchaus hilfreich sein kann, wenn es darum geht, sich dem Unbekannten zu nähern. Geht man davon aus, dass die Begriffsstutzigkeit ja nur die Kehrseite der Irritation ist, mit der jedes Nachdenken anhebt. Ersetzen sie das Buch im Video durch eine neue Anwendung, ein neues Betriebssystem, eine neue Programmiersprache – und Sie werden entdecken, wie entscheidend solche dämlichen Fragen beim Aneignen neuer Denk- und Handlungsmuster sind. Ich würde sogar sagen: je dämlicher, desto besser.

Als Nietzsche sich 1882 eine Schreibmaschine zulegte, bemerkte kurze Zeit später ein Freund, dass sich sein Stil verändert hat. Es ist naiv anzunehmen, dass der dauernde Einsatz von Computern in unserem Denken keine Spuren hinterlässt – zumal die neuen, Appliances genannten Funktionsbündel, die im Zuge des mobilen Internets den Markt überschwemmen, meist nur einen sehr eindimensionalen Gebrauch der angebotenen Technologie zulassen. Die Frage ist, ob wir bereit sind, die Veränderungen mitzugestalten und auch Fragen zulassen, auf die es bei der Internet-Suche keine Antwort gibt.

Ein Computer hat zwei Grundfunktionen: die Funktion der Speicherung und die Funktion der Verarbeitung. Wollen wir dem Computer wirklich beide Funktionen überlassen? Zufall oder nicht, aber als ich zum ersten Mal auf die Homepage von Ellen J. Langer gehen wollte, fand ich eine knappe und überzeugende Antwort auf diese Frage: „Database unavailable“ stand da – 10pt schwarz auf weißem Grund.