Bild nicht mehr verfügbar.

Chaos in der irakischen Hauptstadt

Foto: REUTERS/Goran Tomasevic

Bild nicht mehr verfügbar.

foto: apa/epa/anderson

Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: Reuters

Washington/Bagdad/St. Petersburg - Angesichts von Plünderungen und Chaos in Bagdad und anderen Städten des Irak verstärken die USA ihre Bemühungen um Ordnung und Sicherheit. Für die Nacht verhängten die US-Truppen in der irakischen Hauptstadt eine Ausgangssperre, wie Verteidigungsminister Donald Rumsfeld am Freitag in Washington mitteilte. Allerdings kontrollierten die US-Truppen nicht das gesamte Gebiet der Hauptstadt. Es kämen jedoch jeden Tag mehr US-Soldaten ins Land, sagte der Minister. US-Soldaten erschossen an einem Kontrollpunkt in Bagdad vier Zivilisten. Russland, Frankreich und Deutschland bekräftigten bei einem Gipfel ihre Forderung nach einer Führungsrolle der UNO im Nachkriegs-Irak.

USA bitten um Polizeihilfe

Der Fernsehsender CNN berichtete, die USA wollten andere Länder bitten, Polizeikräfte für den Irak bereitzustellen. An welche Länder sich die USA konkret wenden, wurde nicht gesagt. Einem Bericht des britischen Senders BBC zufolge wollen die US-Truppen auch mit Hilfe der örtlichen Polizei in Bagdad das dortige Chaos und die Plünderungen bekämpfen. "Wir versuchen, die Polizisten zu überreden, zu ihren Arbeitsplätzen zurückzukehren, um die Ordnung wieder herzustellen", sagte der für zivile Angelegenheiten in Bagdad zuständige US-Oberst Peter Zarcone der BBC.

Das US-Außenministerium kündigte die Entsendung von bis zu 1.150 Juristen und Polizisten als Berater in den Irak an. Zunächst solle ein Vorausteam von 26 Personen entstandt werden, sagte Ministeriumssprecher Richard Boucher. Das Team solle zur Gruppe von Jay Garner gehören, dem von den USA vorgesehenen Leiter der irakischen Zivilverwaltung unter der US-Besatzung. Boucher sagte weiter, ein zweites Kontingent werde 150 Personen umfassen, die bei einem privaten Sicherheitsdienst beschäftigt seien, der Personal für US-Unternehmungen im Ausland stellt.

Soldaten erschießen vier Zivilisten

Die US-Soldaten schossen nach Militärangaben auf ein Auto, das den Kontrollpunkt ohne anzuhalten passierte. Dabei kamen vier Mitglieder einer Familie ums Leben, ein fünfjähriger Bub wurde verletzt. "Ich fühle mich wie in Beirut, immer in der Erwartung eines Selbstmordattentäters", beschrieb Oberstleutnant Philip DeCamp die Situation der US-Soldaten in der irakischen Hauptstadt. Erst am Donnerstag hatte sich an einem Kontrollpunkt ein Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt, wobei vier US-Marineinfanteristen verletzt wurden.

Syrien schließt Grenze

Syrien schloss unterdessen nach Berichten von CNN seine Grenze zum Irak. Zuvor hatte US-Präsident George W. Bush die Regierung in Damaskus davor gewarnt, flüchtenden Angehörigen des irakischen Regimes Zuflucht zu gewähren. "Syrien muss verstehen, dass wir volle Zusammenarbeit erwarten", sagte Bush nach dem Besuch verletzter US- Soldaten in einem Krankenhaus bei Washington. Bush lehnte es ab, von einem Sieg zu sprechen. "Der Krieg ist dann vorbei, wenn Oberbefehlshaber Tommy Franks erklärt, dass wir unsere Ziele erreicht haben", sagte Bush

Suche nach Pik-Ass

Das US-Zentralkommando in Katar veröffentlichte eine Liste mit den 55 meistgesuchten Mitgliedern des gestürzten Regimes, die "verfolgt, getötet oder gefangen genommen" werden sollen. Den US-Soldaten im Land wurde die Liste in Form eines Kartenspiels ausgehändigt. Die bebilderten Karten sollen bei der Fahndung nach den ehemaligen Spitzenfunktionären helfen. Von dem entmachteten Präsidenten Saddam Hussein fehlte weiterhin jede Spur. Auf den Fahndungskarten ziert sein Konterfei das Pik-Ass.

Lynchangriffe auf Saddam-Anhänger

Nach dem raschen Vormarsch der US-Truppen und dem Niedergang des irakischen Regimes hatte sich im Irak Chaos und Anarchie breit gemacht. In der Hauptstadt brach nach Angaben des Roten Kreuzes die Gesundheitsversorgung weitgehend zusammen. Niemand kümmere sich mehr um die Verletzten und Toten. Laut dem US-Sender CNN kam es auch zu ersten Lynchangriffen auf Anhänger des entmachteten Präsidenten Saddam Hussein.

US-Militär sucht Personal für irakische Polizei

Die US-Besatzungstruppen in Bagdad haben am Samstag mit der Personalauswahl für die Polizei und den öffentlichen Dienst im Irak begonnen. "Wir suchen Leute mit Kenntnissen in Arbeitsfeldern wie Wasser, Strom, Entsorgung, Medizin und Polizei", sagte Oberst Mike Vannordheim, der bei den US-Marines für zivile Angelegenheiten zuständig ist. Vor dem internationalen Hotel "Palestine" warteten nach eine Rundfunkaufruf hunderte Irakis. "Wir bekommen viele Reaktionen irakischer Bürger", teilte der Oberst mit. "Wir sind aber erst in der Anfangsphase. Dies kann einige Tage dauern. Wir überprüfen alle Informationen, die wir von den Leuten bekommen."

Patrouillen gegen Plünderer

Britische und US-Soldaten haben am Samstag mit Patrouillen in den größeren irakischen Städten versucht, der zum Teil chaotischen Lage dort Herr zu werden. In Bagdad, Basra und anderen von den US-geführten Streitkräften eingenommenen Städten gingen die Plünderungen aber weiter.

Dem US-Militär zufolge sollte in Teilen Bagdads rund um die Uhr patrouilliert werden. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) teilte mit, US-Soldaten sicherten ein Wasserwerk und ein Krankenhaus. In Basra im Südirak kündigten britische Truppen den baldigen Beginn von gemeinsamen Streifengängen mit irakischen Polizisten an.

Die ausgedehnten Plünderungen vom Freitag haben tiefe Wunden in der Stadt hinterlassen. Viele Menschen weinten angesichts der Verwüstungen in Krankenhäusern und der Universität. Der Zorn und die Wut über die Plünderungen richtete sich gegen die Streitkräfte der Koalition. Viele Menschen warfen den USA vor, die Stadt nach dem Abzug des 5. irakischen Korps im Stich gelassen zu haben. (APA/dpa/Reuters/AP)