Geschichten, aus äußerst glaubwürdiger Nähe: "Inside America".

Foto: AG Schumann Eder

Graz - Die Identität des österreichischen Films bleibt beweglich: Kulturelle Spezifika verlieren etwa nicht nur aufgrund von Koproduktionen ihre Eigenheit. Auf der diesjährigen Diagonale fällt auch auf, wie viele junge Filmschaffende sich an internationaleren Formaten orientieren.

Marvin Krens romantisch-humorvolles Zombiestück Rammbock ist ein Beispiel - Inside America, der erste Langfilm von Barbara Eder, ein noch anschaulicheres, weil darin lokale Charakteristika ganz der Anverwandlung an ein US-Independent-Kino gewichen sind. Dass Eder selbst einige Jahre in den Staaten gelebt hat, merkt man dem Film positiv an. Im Mittelpunkt steht eine Reihe Jugendlicher aus der Highschool eines texanischen Grenzortes - entsprechend hoch ist der Bevölkerungsanteil von Hispanics. Eder bevorzugt eine horizontale Perspektive und folgt ihren mit Laien besetzten Figuren abwechselnd, ohne die Dramen zwanghaft zusammenzuführen. So entsteht ein lebendiges Panorama individueller Begrenztheiten, in dem ein Drogendealer aus der Unterschicht ebenso seinen Platz hat wie eine verwöhnte Beauty-Queen oder ein schüchterner weißer Junge, der im multikulturellen Umfeld der Außenseiter bleibt.

Eine weitere Häufung weist die Diagonale in puncto jener dokumentarischen Arbeiten auf, die sich den Verwerfungen der österreichischen Geschichte widmen. Besonders bemerkenswert: Liebe Geschichte von Klub zwei (Simone Bader, Jo Schmeiser), ein konzeptuell wie inhaltlich hochkonzentrierter Film, mit dem das Duo seine Untersuchung des Nationalsozialismus weiterführt, diesmal mit Fokus auf die Nachkommen von Tätern und Täterinnen. Die Hervorhebung der Geschlechterdifferenz ist hier bedeutsam, denn gerade die Rolle von Frauen während der NS-Zeit blieb in der Forschung lange vernachlässigt. In Liebe Geschichte sprechen nun Töchter über den hindernisreichen Prozess der Konfrontation mit der eigenen Familiengeschichte. Angeordnet werden diese Gespräche rund um markante Wiener Bauwerke der Nachkriegsgeschichte wie die Uno-City, die Kamerafrau Sophie Maintigneux nicht nur bestechend fotografiert hat, sondern die auch als Erinnerungspfeiler der offiziellen Politik und deren Auslassungen dienen. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD/Printausgabe, 20./21.03.2010)