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Das Foto zeigt ein Fundstück aus der Höhle von Liang Bua. Im Gebiet um Ola Bula wurden bis zu 880.000 Jahre alte Steinwerkzeuge gefunden, die eine verblüffende Ähnlichkeit mit den Werkzeugen von Liang Bua aufweisen.

Foto: AP/Achmad Ibrahim

London - Mit einem fossilen Stoßzahn fing alles an. Das Stück wurde in den 1950er-Jahren von einem Dorfältesten in der Nähe der Siedlung Ola Bula im Soa-Becken auf der indonesischen Insel Flores entdeckt. Ein niederländischer Jesuit namens Theodore Verhoeven wurde auf den seltenen Fund aufmerksam.

Der Zahn stammte offensichtlich von einem Stegodon, einer ausgestorbenen Urelefanten-Gattung. Verhoeven führte Grabungen durch und fand zahlreiche weitere Fossilien sowie seltsam scharfkantige Steine - Steinzeitwerkzeuge.

Der Missionar schloss daraus, dass Flores schon vor hunderttausenden Jahren von Urmenschen besiedelt gewesen sein muss. In Fachkreisen wurde seine Theorie allerdings weitgehend ignoriert. "Man dachte, die Werkzeuge seien nur von der Natur umgeformte Steine", sagt der australische Archäologe Adam Brumm von der University of Wollongong in New South Wales zum Standard .

Inzwischen hat sich das Bild radikal gewandelt. 2004 gab ein internationales Forscherteam im Fachmagazin Nature (Bd. 431, S. 1055 und 1087) die Entdeckung einer bis dahin unbekannten, zwergwüchsigen Hominiden-Spezies bekannt.

Die Knochen des Homo floresiensis, in den Medien bald "Hobbit" genannt, wurden in der Höhle von Liang Bua gefunden, rund 50 Kilometer westlich von Ola Bula. Währenddessen hatte Adam Brumm zusammen mit australischen, niederländischen und indonesischen Wissenschaftern weitere verdächtige Steinstücke aus dem Soa-Becken untersucht und diese eindeutig als Werkzeuge identifiziert (vgl. Nature, Bd. 441, S. 624).

Das Material und die relativ fortschrittliche Bearbeitungstechnik der Steingeräte aus dem Gebiet um Ola Bula zeigen verblüffende Ähnlichkeit mit denen von Werkzeugen, die man zusammen mit den H.-floresiensis-Überresten von Liang Bua gefunden hat, so Brumm und Kollegen.

Es gibt allerdings einen wesentlichen Unterschied: Erstere sind bis zu 880.000 Jahre alt, die Artefakte aus der Höhle maximal 94.000 Jahre. Offensichtlich verfügten die "Hobbits" schon sehr früh über eine ausgefeilte Steinverarbeitungstechnik. Neue Funde erweitern das Bild einer lang anhaltenden Besiedlung von Flores durch Urmenschen.

Auf einer Viehkoppel in der Nähe einer vorherigen Grabungsstelle entdeckte Adam Brumms Team eine ungewöhnliche Steinansammlung. Es handelte sich um die Ablagerungen eines prähistorischen Flüsschens.

Die Experten begannen zu graben und wurden auf einer Fläche von nur drei Quadratmetern reichlich fündig. Sie bargen insgesamt 48 Artefakte, alle von Urmenschenhand gemacht. Das Alter von vulkanischen Tuffsteinkrümeln aus einer unmittelbar überlagernden Schicht ließ sich mittels Argon-Isotopen-Datierung auf 1,02 Millionen Jahre bestimmen. Die Werkzeuge mussten demnach noch etwas älter sein.

Verschwindende Arten

Die Funde von Wolo Sege, wie der Grabungsort heißt, sind nicht nur archäologisch, sondern auch paläontologisch bedeutend. Bis vor etwa 900.000 Jahren lebten auf Flores Zwerg-Urelefanten, Stegodon sondaari, und Riesenschildkröten der Gattung Geochelone. In den Bodenschichten des Soa-Beckens verschwinden deren Fossilien fast zeitgleich mit dem Auftreten der ersten Steinwerkzeuge. Demnach glaubten die Forscher lange Zeit, die Urmenschen hätten diese Tierarten ausgelöscht.

Nun aber zeigt sich, dass Hominiden, Zwerg-Urelefanten und Riesenschildkröten mindestens 100.000 Jahre lang koexistiert haben müssen. Das Aussterben von S. sondaari und Geochelone könnte somit das Ergebnis von Klimaveränderungen, Vulkanausbrüchen oder anderen natürlichen Ursachen sein, schreiben Brumm und Kollegen in einer heuer erschienenen Online-Vorabveröffentlichung von Nature. (Kurt de Swaaf, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19. März 2010)