Nicola Rudle und Christopher Schärf an der Nadel: Drogendrama von Wolfgang Murnberger (unten).

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Bei der Diagonale zeigte der ORF das Drogendrama "Meine Tochter nicht" von Wolfgang Murnberger, am 13. April im Fernsehen. Mit Doris Priesching sprach er über Verwurzelungen und TV-Verbote.

STANDARD: Mussten Sie den Karlsplatz mit den echten Junkies räumen für die Schauspieljunkies?

Murnberger: Wir haben gar nicht auf dem Karlsplatz gedreht, sondern in der Opernpassage. Da waren keine Junkies. Leider ist das in Wien nicht leicht. Wir hätten gern auf dem Südtiroler Platz gedreht - eine einzige Baustelle. Das haben die Wiener Linien nicht erlaubt. Sie müssen keine Gründe anführen, sie lassen einen einfach nicht. Es gibt Bezirkschefs, die keine Halteverbote hergeben und überhaupt schreien alle sofort "Feuer!"

STANDARD: Imageparanoia?

Murnberger: Ich muss sagen, dass in Österreich Filmarbeit generell nicht sehr anerkannt wird. Wenn man beim Dreh für zwei Minuten ein Auto aufhält, fangen die sofort an zu hupen. Das zerstört wieder den Ton. Bei amerikanischen und englischen Produktionen ist das anders: Da bleiben die Leute stehen, schauen zu. Hier fühlt man sich beim Drehen als jemand, der stört. Beim Knochenmann wollte ich im AKH drehen, haben sie mich nicht gelassen, weil im Drehbuch der Verwaltungsdirektor erschossen wird. Sag ich: "Ja, aber das ist eine Fiktion." Sie meinten, schon, aber sie hätten auch einen Verwaltungsdirektor. Das macht den ohnehin schwierigen Filmstandort Österreich noch komplizierter.

STANDARD: Was tun? Ausreisen?

Murnberger: Ich bin ein verwurzelter Mensch. Es klingt überheblich, aber ich würde nicht gern nach Hollywood gehen.

STANDARD: Worum ging es Ihnen bei "Meine Tochter nicht" ?

Murnberger: Zuerst habe ich selbst drei Kinder. Dann freue ich mich, wenn es einen Stoff fürs Fernsehen gibt, der erlaubt, Fragen offenzulassen. Mir gefiel der Teufelskreis in der Dramaturgie, am Schluss kommen sie mit Bauchweh davon. Das hat etwas, weil es unsauber ist. Im Fernsehen muss man ja oft sehr saubere Sachen machen.

STANDARD: Wie arrangieren Sie sich mit diesen Gegebenheiten?

Murnberger: Der schwarze Löwe hat nach zehn Minuten 100.000 Zuschauer verloren. Warum? Weil in der Anfangssequenz sehr viele Nigerianer vorkommen. Dazu ist am Anfang die Stimmung eher trist. In der Zeit danach haben wir kein Publikum mehr verloren.

STANDARD: Spielten die 100.000 eine Rolle bei den Heile-Welt-Szenen am Beginn von "Meine Tochter nicht" ?

Murnberger: Wir haben schon gesagt: Beim nächsten Mal müssen wir aufpassen, dass wir nicht zu düster beginnen. Und es beginnt eh in der heilen Welt. Das ist ganz bewusst so gemacht. Wenn man es schafft, ein Publikum zehn bis 15 Minuten zu halten, verliert man es nicht mehr.

STANDARD: Mussten Sie dafür das Drehbuch verändern?

Murnberger: Nein, aber ich habe den Eindruck durch die Musik noch verstärkt. Im Fernsehen muss man sowieso mehr Musik machen.

STANDARD: Nicht jeder mag das gleich gern.

Murnberger: Sie nervt, ja. Aber 90 Prozent fällt die Musik gar nicht auf. Bei Live is Life musste ich neu mischen, weil der Südwestfunk meinte, es gebe zu wenig Musik. Also gibt es bei der deutschen Version mehr Filmmusik. Mit dem Titel war es ähnlich. Live is Life ist der viel bessere Titel als Die Spätzünder. Aber wenn man fürs Fernsehen arbeitet, muss man sich darauf einstellen. Im Kino ist das anders. Wolf Haas, Josef Hader und ich lassen uns nichts dreinreden. Es ist der falsche Ansatz, zu glauben, dass man sich im Fernsehen künstlerisch verwirklichen kann.

STANDARD: Der richtige wäre?

Murnberger: Einen guten Job machen, eine Geschichte gut erzählen und das Publikum halten. Das hat seinen Reiz: Ich habe dieses Korsett und schau, welche Möglichkeiten ich habe.

STANDARD: Was schauen Sie, wenn Sie fernschauen?

Murnberger: Ich schaue Fernsehfilme, weil mich interessiert, wie Fernsehen funktioniert. Da wir mit den Kindern das Problem mit den Fernsehzeiten hatten, haben wir allerdings seit einem halben Jahr gar kein Fernsehprogramm.

STANDARD: Entzugserscheinungen?

Murnberger: Nein. (DER STANDARD, Printausgabe, 19.3.2010)