Behindertenanwalt Erwin Buchinger und Josef Buttinger, Initiator von we work together

Foto: Manpower

Susanne M. ist beim Fensterputzen gestürzt und hat sich einen Brustwirbel gebrochen. Trotz Genesung bleiben 30 Prozent Behinderung zurück - ein Handicap vor allem am Arbeitsmarkt. Mustafa S. bekommt in der Nachtschicht bei einer Fastfood-Kette starke Schmerzen in der Brust. Am nächsten Tag hat er einen Herzinfarkt. Markus H. leidet an Neurodermitis und Asthma. Er verliert seinen Job in einem Baumarkt, weil er sich den Kunden gegenüber unsicher fühlt. Drei Menschen mit Handicap, die aufgrund einer Initiative wieder Arbeit haben.

Im Rahmen des Projekts we work together kooperieren die Caritas Oberösterreich, das Bundessozialamt und der Personaldienstleister Manpower. Gehandicapte Kandidaten werden befristet oder dauerhaft in Bereichen eingesetzt, für die sie qualifiziert und geeignet sind. Der Fokus liege auf Stärken, nicht Schwächen. In anderen Worten: Pinguine müssen nicht fliegen können, so Initiator Josef Buttinger. Oft hemmen Berührungsängste und verschärfter Kündigungsschutz den Einsatz behinderter Menschen. Das Projekt wurde 2009 in Oberösterreich gestartet und soll nun auf Wien und Niederösterreich ausgeweitet werden.

Kontroverse zum Kündigungsschutz

Anlässlich der Podiumsdiskussion "Müssen Pinguine fliegen können? Beeinträchtigung und Arbeitsmarkt" diskutierten im Linzer Wissensturm sechs Experten über Sinn und Unsinn von Förderungen, Kündigungsschutz und Unterstützungsmaßnahmen für Menschen mit Handicap.

Josef Buttinger, Initiator und Projektvater von we work together, stellte den verschärften Kündigungsschutz in Frage: Es diene niemandem, wenn Menschen mit Beeinträchtigungen ans Unternehmen gekettet sind. Die Kündigungsregelung schütze nicht, sondern versperre den Weg ins Unternehmen. Manpower Area Manager plädierte stattdessen für eine verlängerte Kündigungsfrist, dazu Betriebsräte und Vertrauenspersonen als Puffer.

Ex-Sozialminister Erwin Buchinger, heute Behindertenanwalt, warnte hingegen davor, bewährte Schutzmechanismen niederzureißen: Sonst seien Menschen mit Beeinträchtigungen die ersten, die abgebaut werden. Unternehmen screenten ihre Mannschaften nur mehr nach Leistung. Das gelte ebenso für Ältere und Mütter kleiner Kinder. Man solle den Fokus nicht nur auf die Betroffenen legen, sondern auch Unternehmen und Führungskräfte fragen, unter welchen Bedingungen sie Menschen mit Handicap einstellen würden.

Stärken im  Fokus

Für Caritas Direktor Mathias Mühlberger bringt der unternehmerische Fokus auf Gewinnmaximierung das gesamte gesellschaftliche Gefüge ins Trudeln: Es müsse heißen: Geht´s uns allen gut, geht´s der Wirtschaft gut. Im Fall von beeinträchtigten Menschen plädierte er auf Hinwenden zu Stärken und gleicher Augenhöhe statt Defizitorientierung. Er erkenne den Quantensprung an, der seit den 90er Jahren passiert sei: Er sei selbst aus dem Mühlviertel und wisse, wie viele behinderte Menschen früher in Bauernhöfen weggesperrt waren.

Günther Schuster, Leiter Bundessozialamt Österreich, wies darauf hin, dass die Gleichstellung in Österreich ein zarteres Pflänzchen sei als beispielsweise in Großbritannien und Skandinavien. Während sich das Bundessozialamt früher auf Leistungen auf Individualebene konzentriert habe, läge der Fokus nun bei den Lebensübergängen: Man arbeite an Integrationsketten an den Übergängen, etwa zwischen Schule und Beruf."

Anregungen

Werner Vogelsang, Head of HR bei DHL Express Austria, regte an, den Kündigungsschutz bei Motivkündigungen anzuwenden, nicht jedoch bei generellem Abbau. Er wünschte sich eine raschere Abwicklung von Anfechtungsverfahren beim Bundessozialamt ebenso wie eine Anpassung der Ausgleichstaxe ("Strafsteuer", Anm.).

Gerhard Weinberger von der Spar AG strich den Mut heraus, den ein Unternehmen brauche, um Menschen mit Beeinträchtigungen dauerhaft einzustellen. Gleichzeitig kritisierte er die gängige Praxis, Betroffene wegen der Förderungen noch zu beschäftigen, auch wenn man bereits wisse, dass man sie nicht behalten wolle. (red, derStandard.at)