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Blattmanns Bedrohungs-lage: Wirtschafts-krise („$"); soziale Unruhen (schwarz); ethnische, religiöse Konflikte (orange); Attentate (rot), Massenvernichtungswaffen (Atombombe).

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Die Politiker des Landes sind verärgert. Blattmann muss Rede und Antwort stehen.

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Der Schweizer Armeechef André Blattmann hat mit unbedachten Äußerungen für Verwirrung und Ärger gesorgt. So zeigte er in einer Sitzung mit Sicherheitspolitikern in Bern jüngst eine Gefahrenkarte, auf der auch EU-Länder wie Frankreich, Griechenland, Italien oder Spanien als potenzielle Bedrohung eingezeichnet sind.

Dem Zürcher Tages-Anzeiger sagte Blattmann: „Auch große Migrationsströme könnten einen Einsatz nötig machen. Denken Sie nur an die derzeitige wirtschaftliche Situation in Griechenland: Plötzlich steht in einem EU-Land der Staat vor dem Bankrott!" Migration oder eine Wirtschaftskrise könnten Situationen schaffen, in denen die Armee gebraucht werde.

Die Politik reagierte ungehalten. „Wenn man mit dieser Karte eine sachliche Diskussion über Bedrohungsszenarien des 21. Jahrhunderts führen soll, taugt sie nichts", erklärte die sozialdemokratische Abgeordnete Evi Allemann im Fernsehen. Die Karte liste Bedrohungsszenarien auf, welche nicht Sache der Armee seien - etwa wenn es um Arbeitslosigkeit oder soziale Unruhen gehe.

Der Ausschuss lädt vor

Der christdemokratische Abgeordnete Jakob Büchler, Vorsitzender des zuständigen Ausschusses des Parlaments, hat Blattmann deshalb vorgeladen. Er soll am Dienstag vor dem Ausschuss Rede und Antwort stehen.

„Die für Außenstehende etwas skurril anmutenden Diskussionen kommen nicht überraschend. Die Schweizer Armee tut sich seit längerer Zeit schwer, einen Feind zu benennen", kommentierte die Zürichsee-Zeitung. Das Boulevard-Blatt Blick fühlte sich an Blattmanns Vorvorgänger Christophe Keckeis erinnert: „Immer wieder ging ihm das Schlachtross durch, als träume er vom Ernstfall."

Die Schweizer Armee steht derzeit tatsächlich vor Problemen: Nicht nur fehlt der klar erkennbare Feind - es mangelt auch an Geld und an Personal. So ist die Zahl der Soldaten zurückgegangen, seitdem es als Alternative zum Militärdienst auch den Zivildienst ohne Gewissensprüfung gibt. Die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge wurde zurückgestellt.

Zukunftsbericht für das Heer

Ein neuer sicherheitspolitischer Bericht, der derzeit von Verteidigungsminister Ueli Maurer (SVP) ausgearbeitet wird, soll Antworten auf die Zukunftsfragen geben. Auch dazu hat sich Blattmann bereits in einem Interview geäußert: „Ich bin fest überzeugt davon, dass wir besonders bei der Ausbildung mit anderen Streitkräften kooperieren müssen." Ansonsten fehlten der Schweiz die Grundlagen, die Armee auf die modernen Bedürfnisse auszurichten. „Wir müssen die Zusammenarbeit mit Ländern pflegen, die Einsatzerfahrung besitzen."
Ein Beitritt zu einem europäischen Verteidigungsbündnis hingegen kommt für den Schweizer Armeechef nicht infrage: „Von einer gemeinsamen europäischen Verteidigungspolitik, an der sich auch die Schweiz beteiligen könnte, kann nicht die Rede sein."(Klaus Bonanomi aus Bern, DER STANDARD, Printausgabe, 18.3.2010)