Florian Schwarz in seinem neuen Institut: kultur-historische Grundlagenforschung, um Aktualitäten die historische Tiefe zu geben, die andere Blickwinkel erlaubt.

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Über sein Fach und das Institut sprach Gudrun Harrer mit ihm.

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STANDARD: Ein Schwerpunkt Ihrer Forschung sind die iranisch geprägten Kulturen in Zentralasien. Da fällt eine gewisse "Breite" auf, es geht also nicht nur um Iran ...

Schwarz: Das ist immer schon ein Grundanliegen von mir gewesen: dass man die Beschäftigung mit Iran im Kontext des Nahen Ostens betreibt - und nicht eines Nahen Ostens, wie er von der Wissenschaft des Kalten Krieges definiert worden ist, sondern einer Region, die offen ist in viele Richtungen, Mittelasien, Südasien, Europa, ganz wichtig auch Russland. Aber nicht nur um die Einbettung in einen großen geografischen Kontext geht es, sondern auch um die Vielfalt von fachlichen Ausrichtungen: Islamwissenschaft, Geschichtswissenschaft, Kunstgeschichte, Literatur.

STANDARD: Das gehört auch zum Selbstverständnis dieses Instituts.

Schwarz: Institutsgründer Bert Fragner hat entscheidend dazu beigetragen, dass sich im deutschsprachigen Raum eine bestimmte Richtung der Iranistik entwickelt hat, eine kulturwissenschaftliche Beschäftigung mit einem groß verstandenen iranischen Raum in der Neuzeit. Ich selbst habe nie bei Fragner studiert, aber er hat auch auf mein Verständnis der Iranistik großen Einfluss genommen.

Durch fast alle Projekte unseres Instituts zieht sich der Faden einer fachübergreifenden Zusammenarbeit und eines regionenübergreifenden Interesses. Zum Beispiel: Soeben ist eine Monografie zu den Beziehungen zwischen Venedig und Iran in der frühen Neuzeit herausgekommen. Ich selbst beschäftige mich gerade mit der Geschichte von iranischen Dragomanen, Dolmetschern, Diplomaten, die zwischen Russland und Iran operierten, etwa zwischen 1850 und 1930. Oder Iran-China, das ist ein ganz starker Schwerpunkt hier.

Das ist auch deswegen wichtig, weil immer die Spannung mit dem Westen im Zentrum steht, wenn man sich mit dem zeitgenössischen Iran beschäftigt. Da ist auch etwas dran: Die iranische Politik, iranische Intellektuelle, das iranische Selbstverständnis sind stark davon geprägt. Aber gerade deshalb sollte man auch versuchen, Iran in seinen vielfältigen Beziehungen zu sehen - nur so kann man verstehen, wie sich das strategische iranische Denken entwickelt, etwa zur Frage, welche Rolle die Beziehungen zu China, zu Südasien oder zu Russland in Zukunft spielen werden. Diesen Beziehungen eine historische Tiefe zu geben, die kulturhistorische Grundlagenforschung dazu, das ist ein zentrales Anliegen unseres Instituts.

STANDARD: Aber für die konkrete iranische Politik sind Sie nicht zuständig.

Schwarz: Unser Institut ist kein politikwissenschaftliches. Aber wir halten uns durchaus an das Mission-Statement der Akademie, wo es heißt, man betreibt Grundlagenforschung, die nicht angewandt, aber anwendungsoffen ist. Das heißt, alles, was wir hier in Bezug auf neuere Geschichte Irans machen, ist relevant, und da beteiligen wir uns auch gerne an der Diskussion.

STANDARD: Manchmal scheint es, dass die Iran-Forschung angesichts der Probleme mit Iran irgendwie unter Verdacht steht. Spüren Sie das?

Schwarz: Wir sind einerseits gerade durch diese Situation aktuell - andererseits wird durch diese Aktualität die gesamte Iranforschung auf den politischen Aspekt reduziert. Iranistik verstehe ich als eine eigentlich in zwei Richtungen oder doppelt kritische Wissenschaft: eine Wissenschaft, die sich kritisch auseinandersetzt damit, wie wir aus Österreich, aus Europa Iran und den größeren Kontext des Nahen Ostens sehen. Kritisch aber auch in Hinsicht darauf, wie Iran selbst seine Rolle und sein kulturelles Selbstverständnis darstellt. In diesem Sinn kann Iranforschung wie alle Geisteswissenschaften, wie jede historische Wissenschaft, durchaus in gewisser Weise unbequem sein.

STANDARD: In den USA ist die Iranistik "politischer". Hat das etwas damit zu tun, dass dort fast alle jüngeren Iranisten iranischstämmig sind?

Schwarz: Die iranisch-stämmigen Iranisten wollen wir natürlich. Aber in den USA habe ich gesehen, was passiert, wenn eine Iranistik ständig unter diesem Aspekt des aktuell Politischen gesehen wird. Durch die Verengung des Blickwinkels entzieht man sich die Basis, von der aus man Dinge anders sehen kann. Dazu kommt natürlich die ganz konkrete Behinderungen der Arbeit: Es war für meine Studenten dort faktisch unmöglich, Forschungen in Iran durchzuführen.

Die Iranistik in den USA wird von ganz bestimmten gesellschaftlichen Diskursen bestimmt, die aus den sogenannten "heritage communities" kommen. Das ist etwas, was es hier zu vermeiden gilt. Sehen Sie sich an, woher unsere Wissenschafter kommen, aus den verschiedensten Nationalitäten und Fachrichtungen: Nur wenn wir eine gewisse Offenheit gewährleisten, ist es möglich, kritische gesellschaftswissenschaftliche und kulturwissenschaftliche Forschung zu betreiben.

STANDARD: In Österreich gibt es keine Iranistik auf der Universität. Fehlt Ihnen das?

Schwarz: Natürlich ist das ein großes Problem für uns. Nachwuchsforschung ist Teil unserer Aufgabe, dazu brauchen wir die Zusammenarbeit mit der Universität. Wir machen das in Ansätzen über Forschungsprojekte, aber mit einer gewissen Nachhaltigkeit geht das nur in Zusammenarbeit. Und die Lehre fehlt einstweilen völlig.

STANDARD: Sie haben mir von Ihrem neuen Mitarbeiter erzählt, dem jungen Literaturwissenschafter Amr Taher Ahmed, irakischer Kurde, im Iran aufgewachsen, der in Kurdistan studiert und in Paris promoviert hat. Was ist denn eigentlich Verkehrssprache im Institut?

Schwarz: Seine Hauptsprachen sind Kurdisch, Persisch und Französisch, mit ihm sprechen wir demnach persisch. Wir sind sehr vielsprachig hier, neben Deutsch und Englisch natürlich. Ich selbst habe einmal gehört, wie unser italienischer Kollege mit einem japanischen Iranisten georgisch gesprochen hat. Der Kaukasus gehört ja übrigens auch zu unseren starken Interessengebieten. (DER STANDARD, Printausgabe, 17.03.2010)