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Geschätzte 105.000 Menschen in Österreich können Automaten, Roulette oder Rubellos nicht widerstehen: Sie sind spielsüchtig.

Foto: dpa/Führer

Wien und Niederösterreich verdienen an den Geräten derzeit jährlich 69 Millionen Euro.

St. Pölten/Wien – Die Frage klingt ganz einfach: Können an Spielautomaten der Firma Novomatic pro Spiel mehr als 50 Cent verloren und mehr als 20 Euro gewonnen werden? Die Antwort entscheidet über zig Millionen Euro und beschäftigt seit drei Jahren das Gericht in St. Pölten, etliche Gutachter und Sachverständige.

Diese sagten bisher: Nein, es geht nicht. Ein neues Gutachten des Instituts für Scientific Computing an der Uni Wien kommt jetzt zu dem Schluss: Doch, es geht. Was die Antwort so schwierig macht: Spieler können 20 Euro gewinnen, allerdings plus einer bestimmten Anzahl an "Action Games". Die bisherigen Gutachten gingen davon aus, dass die Action Games nichts wert sind. Das neue Gutachten widerspricht dem.

Sollte das Gericht das auch so sehen, dann sind die Automaten von Novomatic illegal. Nur wenn nicht mehr als 50 Cent verloren und 20 Euro gewonnen werden können, gelten sie als "kleines Glücksspiel". Die Länder bestimmen, ob es erlaubt ist, derzeit lassen Wien, Niederösterreich, Steiermark und Kärnten es zu. Das große Glücksspiel ist in Österreich staatliches Monopol, nur die Casinos Austria dürfen es anbieten.

In Wien stehen 3300 kleine Glücksspielautomaten, in Niederösterreich 1100. Wien verdient daran 60 Millionen Euro im Jahr, Niederösterreich neun. Dort müssen die Einnahmen zu 70 Prozent für Jugend- und Sozialprojekte ausgegeben werden.

"Die Automaten müssen sofort beschlagnahmt werden", sagt Thomas Huber, Landesgeschäftsführer der niederösterreichischen Grünen. Er ging mit Kollegen in zahlreiche Automatenlokale zum Testspielen. Das Ergebnis: Bis zu 500 Euro könnten in die Automaten geschoben werden, durch das mehrmalige Drücken einer Taste vor dem Spiel könne der Einsatz auf bis zu sechs Euro erhöht werden. Der Maximalgewinn sei unklar, liege aber deutlich über 20 Euro.

"Das stimmt einfach nicht", sagt Hannes Reichmann, Sprecher von Novomativ. Zahlreiche Gutachten hätten bestätigt, dass die Automaten rechtskonform seien. Das neue Gutachten hält er für "im Ergebnis verfehlt". Reichmann wünscht sich eine Reform des Glücksspielgesetzes: "Die jetzigen Formulierungen sind sehr schwammig."

Gesetz soll geändert werden

An einer solchen Novelle arbeitet die Regierung seit 2006, in den kommenden Monaten soll sie fertig werden. Ob sich die Bestimmungen für das kleine Glücksspiel ändern werden, will im Finanzministerium derzeit noch niemand sagen.

"Die Stadt Wien kassiert pro Automat 1400 Euro Aufstellgebühr im Monat. Ich bin also realistisch und befasse mich nicht mit einer Gesetzesänderung", sagt Izabela Horodecki vom Verein Spielsuchthilfe. "Ich wünsche mir nur mehr Kontrollen nach dem geltenden Gesetz." Meist gebe es bei Automatenlokalen keine Alterskontrollen. 40 Prozent ihrer Patienten hätten mit dem Spielen begonnen, bevor sie 18 waren. Bei Automaten sei das Suchtpotenzial besonders hoch: 83 Prozent hatten mit dieser Spielart Probleme. Etwa 1,5 Prozent aller Menschen über 15 Jahren seien spielsüchtig, schätzt Horodecki, in Österreich also etwa 105.000 Menschen. (Tobias Müller/DER STANDARD-Printausgabe, 17.3.3010)