Vom Lynch-Jünger zum Guru-Ankläger: Regisseur und Selbstdarsteller David Sieveking bleibt mit einem Bein auf dem Boden.

Foto: Diagonale

Eigentlich weiß der junge Filmemacher zu Beginn ganz genau, was er will: "Ich wollte abgründige Filme machen - wie mein großes Vorbild David Lynch. Aber irgendwie fehlen mir die Abgründe." Vorerst kann David Sieveking in seiner Berliner Bude also nur ein Eraserhead-Plakat aufhängen. Von "Abgründen" wird er später jedoch noch einmal sprechen - nur haben diese mit Lynch nur mehr am Rande zu tun.

Denn über seine Bewunderung für den Meisterregisseur lernt Sieveking dessen andere Seite kennen: Seit vielen Jahren sponsert die Lynch-Foundation die Bewegung der Transzendentalen Meditation, eine von Maharishi Mahesh Yogi in den 50er-Jahren ins Leben gerufene Schule, die bereits westliche Künstlerprominenz wie die Beatles in höhere Sphären schweben ließ. Er solle nur den Glaubenssätzen des Maharishi folgen, so Lynch, dann würde das auch mit der Filmkarriere klappen. Ein Mann, ein Wort, und schon holt sich der kleine David bei der deutschen Maharishi-Botschaft sein persönliches Mantra und lernt mittels Meditationstechnik zu "fliegen" - auch wenn es sich nur um ein Hopsen auf der Turnmatte handelt.

Man darf vorwegnehmen, dass die Interessen der global agierenden und vernetzten Organisation nicht ausschließlich spirituelle sind, weshalb David Wants to Fly von einer individuellen Sinnsuche bald zu einer investigativen Enthüllungsstory mutiert. Die Rolle des naiven Skeptikers erfüllt Sieveking dabei mehr als passabel: Adrett gewandet und zustimmend nickend, gibt er den wohlerzogenen Michael Moore, und wie dieser landet er bald bei den Verlierern und Geschädigten. Und wer zu viel fragt, bekommt irgendwann keine Antworten mehr: Der zunächst freundliche Lynch verweigert alsbald Interviews ("Leave us alone!" ), die streng bewachten Meditationsschulen den Zutritt, und die Maharishi-Verwalter drohen mit Klage.

"Nach über einem Jahr täglicher Meditation stehe ich vor einem Trümmerhaufen" , meint Sieveking im Off-Kommentar - und macht daraus das Beste: Er inszeniert sich einfach selbst. Wie es die dem Film vorangestellten Unterwasserbilder vorwegnehmen, taucht auch Sieveking in seinen eigenen Film ein, ist meistens selbst im Bild zu sehen und lässt sich von den laufenden Ereignissen und Enthüllungen treiben.

Dass David Wants to Fly damit seine eigene Entstehungsgeschichte dokumentiert, ist zwar als Idee nicht neu, kommt aber der leichthändig-selbstironischen Vorgangsweise Sievekings zupass: Wie die Maharishi-Jünger in ihrer parallelen, weil meditativen Welt leben, so durchwandert er als seine eigene Kunstfigur den Film.

Weil der Aufstieg mittels Meditation nicht gelingt, kompensiert Sieveking das Scheitern am Ende mit einem ausgedehnten Fußmarsch zur Quelle des Ganges. Hier, unter dem Dach der Götter, fühlen sich nämlich Scharlatane und Filmemacher gleichermaßen wohl. (Michael Pekler, SPEZIAL - DER STANDARD/Printausgabe, 16./17.03.2010)