Von Rechts sind wir gewöhnt, bad news zur Migration und Integration zu bekommen. Überraschend kam genau von dort  jüngst ein Zugeständnis: Endlich Einwanderungsland! Österreich ist ein Einwanderungsland: Dieses Zugeständnis wurde nun offiziell ausgesprochen - von politischen Lagern, von denen man dies am wenigsten erwarten würde.

Ein Gespenst geht um

„Wir wollen keine Parallelgesellschaften" kündigte der österreichische Außenminister Michael Spindelegger an. Eine solche Absichtserklärung macht nur in die gesellschaftliche Realität eines Einwanderungslandes Sinn. So bestätigte der ministerielle Aufruf unabsichtlich,  dass Österreich ein Einwanderungsland ist. Und das ist kein isolierter Fall. Das Gespenst der „Parallelgesellschaft" erscheint rechtskonservativen Kreisen tagtäglich - und bestätigt somit wider ihren Willen, dass Österreich seit geraumer Zeit ein Einwanderungsland ist. Wovon soll denn sonst die parallelgesellschaftliche Parzellierung ausgehen, wenn nicht von Einwanderung? Dadurch wird offiziell-politisch das bestätigt, was offiziell-politisch geleugnet oder mit Schweigen bedacht wird.

Die Realitäten der Einwanderungsgesellschaft sind aber derart zwingend, dass sogar rechtsradikale LeugnerInnen der Einwanderungsrealität eine neue Wendung eingeschlagen haben. „Ein Einwanderungsland wird man nicht durch Fakten, sondern durch politische Entscheidungen". Mit dieser Aussage von Barbara Rosenkranz ist wieder bestätigt, dass Österreich faktisch das ist, was es politisch (noch) nicht ist.

Zukunft soll verhindert werden

Sollte die Präsidentschaftskandidatin etwas zu entscheiden haben, dann dürfte die künftige Gesellschaft keine Einwanderungsgesellschaft bleiben. Anstatt einer Faktenleugnung, die sich in dieser Gesinnungsgemeinschaft von der Vergangenheit bis in die Gegenwart durchstreckt, ist nun Zukunftsverhinderung angesagt.

Bei diesem Verhinderungskurs kann es sich darum handeln, Fakten zu verhindern, oder aber, zu verhindern, dass Fakten und Politik zueinander finden. Vielfalt und Einwanderung einzubremsen ist eine Sackgasse, in welcher die Politik oft ihre Notfahrzeuge parkt. Denn auf Einwanderung hat die Politik geringen Einfluss, und sie wird auch künftig nicht viel mehr mitgestalten können.

Mehr als ein Faktum

Dann bleibt nur übrig, zu verhindern, dass die Vielfalt mehr als ein demographisches Faktum wird. Zu verhindern, dass die Gesellschaft in ihrer Vielfalt bei der Gestaltung der Demokratie mitwirkt. Zu verhindern, dass die Demographie der Vielfalt zur Demokratie der Vielfalt wird.

Für die Gegenwart bleibt vorerst nur ein Trost: Politik und Fakten sind einander im Einwanderungsland Österreich einen Schritt näher gekommen. (Jan Kalor, derStandard.at, 15.3.2010)