Das südschwedische Malmö gilt als Schmelztiegel Schwedens - rund 29 Prozent der Einwohner kommen aus dem Ausland. Die drittgrößte schwedische Stadt, die in den vergangenen Jahren immer wieder mit gewaltsamen Unruhen in Einwanderervierteln in die Schlagzeilen geraten war, macht nun erneut von sich reden: Wachsender Antisemitismus veranlasst Juden zur Flucht.

An die 30 jüdischen Familien sind in jüngster Zeit aus Malmö fortgezogen. "Im fantastischen Schweden kann sich meine Familie nicht mehr sicher fühlen. Das ist furchtbar" , zitiert die Tageszeitung Skånska Dagbladet Marcus Eilenberg, der sich mit Frau und zwei Kindern zur Emigration nach Israel entschlossen hat.

Im Jahr 2009 hatte sich nach Polizeiangaben die Zahl angezeigter Übergriffe gegen Juden in der südschwedischen Provinz Skåne verdoppelt. Insgesamt 79 Verbrechen, zumeist in Malmö verübt, wurden zur Anzeige gebracht - die Polizei geht aber von einer weitaus höheren Dunkelziffer aus.

Mehrfach gab es Anschläge auf die Synagoge und den jüdischen Friedhof; Angehörige der rund 700 Mitglieder umfassenden jüdischen Gemeinde berichten von verbalen und körperlichen Attacken in der Öffentlichkeit und von der Angst, sich als Juden zu erkennen zu geben. Laut der Polizei in Skåne handelt es sich bei den Tätern nach Angaben der Opfer häufig um "Personen aus Nahost" .

Nicht zuletzt die gescheiterte Integration vieler der rund 30.000 Muslime in Malmö und eine daraus erwachsende Radikalisierung spiele eine wichtige Rolle, vermuten Betroffene. "In den vergangenen Jahren haben wir immer wieder vor einer Radikalisierung des Antisemitismus von muslimischer wie auch von linksextremer Seite gewarnt" , sagt Lena Posner-Körösi, Präsidentin des Zentralrates der Juden in Schweden. Mit der Verurteilung antisemitischer Übergriffe, die nicht aus der traditionell "rechtsradikalen Ecke" kommen, tut sich der sozialdemokratische Bürgermeister Ilmar Reepalu jedoch schwer.

Protesten ist Reepalu nun mit einem Dialog-Angebot an die Juden und der Versicherung begegnet, die Stadt werde antisemitische Übergriffe künftig konsequent ahnden. Ein neues "Dialog-Forum" soll die Einwohner für das Problem Antisemitismus sensibilisieren. Auch die Polizei will mehr tun: Im Laufe des Frühjahrs werden spezielle Ermittler für den Einsatz in ganz Skåne ausgebildet. (Anne Rentzsch aus Stockholm, DER STANDARD, Printausgabe 13./14.3.2010)