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Die Papiernachfrage zieht wieder leicht an, doch die Industrie hat ihre Kapazitäten stark reduziert. Es gibt erhebliche Lieferengpässe. Die Drucker fürchten, auf den Mehrkosten sitzenzubleiben.

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Wien - In der Papierbranche liegen die Nerven blank. Europas Industrie hat ihre Kapazitäten stark gedrosselt, jetzt geht ihr der Zellstoff aus. In Österreich sind große Hersteller dabei, ihre Preise bis Ende März um mehr als zehn Prozent zu erhöhen, erfuhr der Standard. Davon betroffen sind vor allem grafische Papiere, für Bücher und Zeitungen ebenso wie für Flugblätter und Kataloge, aber auch auf Verpackungspapier kommen Umwälzungen zu. Die Papiergroßhändler haben die Forderungen bereits an Drucker weitergereicht, und diese sehen sich in die Enge getrieben.

Höhere Preise für Papier zeichnen sich seit längerem ab, mit diesem Ausmaß habe aber keiner gerechnet, sagt Harald von Hinüber, Chef des Händlers Stiassny. Er ha-be Schreiben aller namhaften Produzenten auf seinem Tisch, in denen von Anpassungen zwischen acht und zwölf Prozent die Rede sei. "Wir müssen sie an die Kunden weitergeben, wir haben keine andere Chance." Der Handel sei in der Sandwichposition, sagt auch Stephan Grötzschel, der als Chef der Papernet jährlich 60.000 Tonnen Papier kauft und verkauft.

Mit ausgelöst hat das Erdbeben in der Branche ein anderes: Jenes in Chile. Das Land stellt mit fünf Millionen Tonnen rund acht Prozent des weltweiten Zellstoffbedarfs. Das Erdbeben hat drei Viertel der Fabriken lahm gelegt - für unabsehbare Zeit. Riesige Produktionen stehen aber auch in Europa still. Der Streik von Hafenarbeitern in Finnland zwingt Sappi und UPM dazu, Anlagen zu stoppen.

Industrie auf der Bremse

Weniger Zellstoff gab es schon zuvor: Europas Industrie hat die Kapazitäten im Vorjahr um 14 Prozent reduziert. Die kurzfristige zusätzliche Verknappung ließ diese Woche die Preise für die Tonne an Referenzzellstoff auf mehr als 900 Dollar schnalzen. Es ist der stärkste Anstieg innerhalb von sechs Tagen seit gut sechs Jahren, bei dem wohl auch Spekulanten ihre Hand im Spiel hatten, und Experten erwarten weitere Preisschübe.

Im Vergleich zum Vorjahr habe sich Zellstoff um bis zu 30 Prozent verteuert, die Lager seien leer, wegen des Vakuums gebe es einigen Nachholbedarf, ergänzt Kurt Maier, Vorstand der Zellstoff Pöls AG. Zumal auch Asien große Mengen an Rohstoff aus Europa absaugt.

Papier besteht zu 80 Prozent aus Zellstoff. Dass die aktuelle Hausse nicht auf die Papierpreise durchschlage, sei unmöglich, meint der Geschäftsführer des Branchenverbands Austropapier, Oliver Dworak. Auslöser dafür sei nicht nur Zellstoff, teures Holz spiele ebenso mit hinein wie der Engpass bei Altpapier, zu der die insgesamt geringere Papierproduktion geführt habe. Allein die Österreicher fuhren die Kapazitäten 2009 um mehr als zehn Prozent zurück. Europaweit wurden seit 2007 1,2 Millionen Tonnen Papier aus dem Markt genommen. Derzeit steht eine große Fabrik in Deutschland nach einem Brand still, französische Hersteller kämpfen mit Streiks. Sappi hat die Produktion in Holland wegen fehlenden Zellstoffes halbiert.

Dworak sieht den Bedarf an Papier heuer wieder leicht wachsen. Auch der Großhandel spricht von mehr Aufträgen. Die Drucker sind aber in Alarmbereitschaft: Der Papierverbrauch sei in Österreich im Vorjahr um gut zehn Prozent eingebrochen, im selben Ausmaß sei der Druckumsatz gesunken, lässt Verbandschef Werner Neudorfer wissen. Dass man nun mit um acht bis elf Prozent teurerem Papier konfrontiert werde, sei angesichts des Umfelds nicht nachvollziehbar. Am Markt seien die Mehrkosten nur schwer umsetzbar. Alles laufe auf eine nachhaltige Schädigung der Unternehmen hinaus. (DER STANDARD, Printausgabe, 13./14.3.2010)