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In der essayistischen Reflexion des Seins per se, angesichts seiner in bibliophiler Form gesammelten Fotografien, konstatiert Walter Kappacher weiter: "Die Natur lehrt uns, was das Schöne sei." Der 1938 in Salzburg geborene, 2009 mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnete Schriftsteller präsentiert dem Betrachter in dem schmalen, aber sehr sorgsam gestalteten Band mit dem luziden Titel Schönheit des Vergehens über mehrere Jahre gefertigte Studien eines kleinen Sees zwischen Obertrum und Perwang, an der oberösterreichischen Grenze.

In Wahrheit aber gerät die Dokumentation des Ortes zur reinen Illustration, zum Symbol des Lebens, des Daseins an sich, zum Synonym für das Schöne wie auch das Vergängliche, im diffusen Wechselspiel des Jahreskreises: Wasser, teils ganz ruhig, teils aufgewühlt durch Wind, teils gefroren, teils vom Sonnenlicht angetaut, in allen Spektralfarben schillernd, Eisbrocken, Spiegelungen, geschwungene Linien auf dem porös gefrorenen See, Schilfrohre, eingeschlossene Blätter, von Wind- und Sturmböen geborstenes dünnes Eis: ebenmäßig, gleichförmig, zerzaust, brüchig und filigran.

Die Dynamik in den Naturstudien Walter Kappachers korreliert mit seinem gewohnten Erzählstil des Sprachlichen. Die Poetik dieses nonverbalen Gedichtbandes entspricht den ruhigen, bedachten Kompositionen seiner verbalen Werke.

Die detaillierte Darstellung des Wassers in allen Aggregatzuständen kulminiert automatisch in kontemplativen, philosophischen Betrachtungen des Daseins. Die beruhigende Wirkung der Bilder erwirkt ein Hinterfragen, und, so man sich auf die Intensität einlässt, ein In-sich-Ruhen. Das Schauspiel der Natur, der farblosen Farben, der facettenreichen Spiegelungen ist ein lautloser Aufruf innezuhalten, in sich zu hören, zu "schauen" und, unserer hektischen Welt zum Trotz, wieder zu lernen, "nichts zu wollen". (Gregor Auenhammer, ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 13./14.03.2010)