Standard: Nach drei Jahrzehnten an staatlichen Unis lehren und forschen Sie seit 2008 an der - privaten - Zeppelin University. Welche Veränderung war am stärksten?
Willke: Die Studierenden sind nicht mehr eine anonyme Herde, die irgendwie dahintrottet, sondern tatsächlich wieder eine Lerngemeinschaft, in der Teamarbeit und Austausch - Anspornungen und Konkurrenz - gelebt werden.
Standard: Hat das direkte Auswirkungen auf die Lehrinhalte?
Willke: Ja, die Inhalte sind anspruchsvoller, weil ich den Studierenden mehr zumuten kann und weil sie mehr erwarten.
Standard: Womit konfrontieren Sie die Studierenden am häufigsten?
Willke: Mit ihrer mangelhaft ausgebildeten Fähigkeit, effektiv und effizient zu lernen. Gelernt wird weitgehend wie im Mittelalter.
Standard: Was heißt das?
Willke: Texte werden immer noch mit Stift auf Papier ausgewertet und in irgendeinen Ordner verbannt. Wird der Text wieder gebraucht, muss er nochmals gelesen werden. Jeder Ansatz von Wissensmanagement fehlt.
Standard: Fühlen Sie sich heute mehr als Lehrer oder Forscher?
Willke: Ich fühle mich mit zunehmender Gelassenheit mehr als Lehrer. Ich betrachte Forschung - anders als früher - heute als Vorbereitung meiner Lehre.
Standard: Was haben Sie aus Ihrem beruflichen Wechsel gelernt?
Willke: Es kommt nicht auf den Ort an, ob es eine staatliche oder private Uni ist. Sondern darauf, wie ernst Lehre und Studierende genommen werden können. (Heidi Aichinger, DER STANDARD, Printausgabe, 13./14.3.2010)