"Pyrotechnik"

Foto: Initiative "Pyrotechnik ist kein Verbrechen"

"Es wird weiter brennen, wir lassen uns von unserer Fankultur nicht trennen."

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"Glücklich das Land, das keine anderen Sorgen hat, außer Ultras zu inhaftieren und Pyrotechnik zu kriminalisieren."

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"Wär die Fekter Innenministerin von Kanada, hätte die Olympische Fackel Einreiseverbot!

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"Fekters Gesetze sind für uns nur Schall und Rauch"

Foto: Initiative "Pyrotechnik ist kein Verbrechen"

derStandard.at: Das Wiener Derby steht am Sonntag auf der Tagesordnung. Werden Austria- und Rapid-Fans vereint im Protest "fackeln"?

Sebastian, Sprecher der Initiative "Pyrotechnik ist kein Verbrechen": So sehr wir uns auch hassen, was das neue Pyrotechnikgesetz betrifft, müssen wir einfach zusammenhalten. Es bringt Rapidlern, Austrianern oder Grazern ja nichts, wenn alle mit denselben Problemen zu kämpfen haben und jeder schaut nur auf sich selbst. Unsere Liebe zur Ultra- und Fan-Bewegung ist größer als der gegenseitige Hass.

derStandard.at: Seit dem das neue Pyrotechnikgesetzt im Jänner 2010 in Kraft getreten ist, brennen fast alle Fankurven noch heller, was hat sich für Euch dadurch verändert?

Sebastian: Wir lassen uns Pyrotechnik nicht so einfach verbieten. Schon gar nicht wenn ein Gesetz durch Lügen und Falschaussagen vom Innenministerium begründet wird. Deshalb brennt es jetzt aber nicht mehr oder weniger, wir machen einfach unser Ding, genau wie die letzten 20 Jahre auch schon. Wir zündeln ja nicht des Zündelns wegen, sondern weil wir damit Freude und Leidenschaft symbolisieren wollen. Seit der Bundesliga-Rückrunde infiltrieren zivile Polizisten und Beamte des BMI die Sektoren, in Graz wurde ein Fan wegen angeblichen Verstoßes gegen das neue Gesetz einfach am Klo abgepasst und abgeführt. Die Repression nimmt stark zu.

derStandard.at: Der SK Rapid hat durch seinen Klubservice-Leiter Andy Marek zu dem Thema Stellung bezogen und gemeint: "Durch ein striktes und generelles Verbot von Pyrotechnik im Stadion ist dieses Problem nicht gelöst". Marek sieht bei einem "erlaubten und zugleich kontrollierten" Gebrauch, ein geringeres Gefahrenpotenzial. Entspricht das auch euren Forderungen?

Sebastian: Absolut. Wobei ich Pyrotechnik nicht generell als "Problem" bezeichnen würde.
Wenn man Angst vor Leuten hat, die Böller auf's Spielfeld werfen, so werden sich diese nicht vom Gesetz abschrecken lassen. Als aktive Fangruppen können wir da viel mehr erreichen, indem wir Aufklärung betreiben und mit den Leuten reden. Es wurde im Vorfeld der Novellierung mit keinem einzigen Fanvertreter oder Fanbeauftragten eines Vereines gesprochen. Das Verstecken und Vermummen macht einen kontrollierten Gebrauch nicht einfacher. Man könnte viel ruhiger und gelassener zündeln, wenn man nicht Angst haben muss, eine sehr hohe Strafe zu riskieren. Der Strafrahmen sieht bis zu vier Wochen Haft vor.
Ein zusätzliches Problem bei diesem Gesetz ist die Erweiterung des "Willkür-Rahmens" für die Polizei. Es kann z.B. jeder nur auf einfachen Verdacht hin durchsucht werden, auch Autos und Wohnung dürfen ohne richterlichen Beschluss durchsucht werden. Wenn alle Gesetze in Österreich so gemacht werden, na dann gute Nacht.

derStandard.at: Warum sind die "Fackeln" so wichtig für Euch?

Sebastian: Pyrotechnik ist ein essentielles Mittel zum Ausleben unserer Fankultur. Bengalische Feuer und Rauchtöpfe transportieren einfach eine tolle Stimmung und ziehen dich in ihren Bann. Aber auch unsere Selbstbestimmung und Eigenverantwortung stehen dabei auf dem Spiel.

derStandard.at: Warum sieht Innenministerin Maria Fekter das ganz anders?

Sebastian: Fekter behauptet, "ein glühender Fan braucht keinen brennenden Knaller". Es gibt aber gar keine brennenden Knaller, dass zeigt schon wie viel Ahnung der Gesetzgeber von der ganzen Sache hat. Die halbe Regierungsbank war bei Skirennen in Kitzbühl und Schladming dabei, dort sind bei einem Rennen gezählte 116 Bengalen gezündet worden und keiner hat ein böses Wort darüber verloren. Die Medien haben sich überschlagen vor Freude über die gute Stimmung. Wenn's bei uns brennt, reden die gleichen Leute aber von Chaoten und Asozialen, die den Sport zerstören wollen. Wieso? Man nimmt uns etwas weg und wir wissen nicht warum. Geht's da nur um Überwachungsstaat?

derStandard.at: Am Feuer kann man sich auch verbrennen, ist die Gefahr kontrollierbar?

Sebastian: Am Christkindlmarkt wird auch Punsch ausgeschenkt, obwohl man genau weiß, dass danach sehr viele Leute mit dem Auto heimfahren. Da sterben jährlich tausende Menschen. Deswegen will aber keiner Punsch oder Autofahren verbieten. Uns geht es um eine differenzierte Betrachtung. Dass Pyrotechnik nicht ungefährlich ist, wissen wir natürlich auch. Die aktiven Fußballfans haben sich klar gegen Böller und Knallkörper ausgesprochen. Wir möchten nur Bengalische Feuer und bunten Rauch zur optischen Untermalung von unserem Treiben auf den Tribünen verwenden. Es gibt keinen dokumentierten Fall, wo ein Fan durch eine Fackel verletzt wurde. Man muss ja nur kurz nachdenken: Wir wollen uns selber ja nicht anzünden.

derStandard.at: Sind Pyrotechnik und Gewalt zwei völlig unterschiedliche Paar Schuhe?

Sebastian: Natürlich! Bengalen entfachen Stimmung während dem Match und wer sich prügeln will, braucht dazu doch keine Fackeln. Aber Fußballfans gelten ja von Haus aus als Verbrecher, da fehlt einfach die Lobby.

derStandard.at: Kann man nicht auf andere Stilmittel ausweichen, warum nicht Klopapierrollen werfen?

Sebastian: Wir werfen eh auch Klopapier. Aber es leuchtet und raucht halt nicht. Das ist so, wie wenn man einen Christen fragt, warum er jeden Sonntag in die Kirche gehen muss, anstatt sich auszuschlafen. Dafür gibt es ja auch keine pauschale Erklärung.

derStandard.at: Für was kämpft die Fan-Initiative?

Sebastian: Wir wollen den Menschen ein alternatives Bild von leidenschaftlichen Fußballfans vermitteln, ein Gegenbeispiel zu dem von Medien und Politik gezeichneten Stadionbesucher. Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass wir als Fans sehr oft ungerecht behandelt werden. Jetzt haben wir ein Thema, bei dem es allen Fans gleich geht und deshalb sind wir stark. Wenn wir es schaffen, dass man uns von Seiten der Politik und Liga hört bzw. hören muss und mit uns über das Pyrotechnikgesetz spricht, haben wir viel erreicht. Die Pressekonferenz von Bundesligavorstand Georg Pangl, in der er alle Medien dazu aufgerufen hat, nicht über die Fanproteste zu berichten, zeigt ja schon, dass er Angst vor unseren Argumenten hat.

derStandard.at: An was für einem Punkt ist die Fankultur für Euch angekommen, wenn die letzte bengalische Flamme erloschen sein wird?

Sebastian: Wenn das sprichwörtliche Feuer aus den Kurven verschwindet, ist es nicht mehr das Gleiche, zum Fußball zu gehen. Das sagen übrigens auch viele Spieler. Der Fußball lebt von den Fans, in allen Ländern geht die Stimmung vom Fanblock aus. Wenn diese Leute bekämpft werden, wird ein kreativ, bunt und laut gestalteter Fanblock irgendwann der Vergangenheit angehören.  (sh, derStandard.at, 12. März 2010)