"In der Sprache unserer Kunst Protest formulieren"

Berlin (APA/dpa) - "Glaubt nicht, Ihr hättet Millionen Feinde. Euer einziger Feind heißt Krieg!" Ein Transparent mit diesem Kästner-Zitat hängt an der Dresdner Semperoper. "Kein Krieg nirgends" steht auf dem am Potsdamer Hans Otto Theater angebrachten Spruchband. "Apocalypse Now" heißt es schlicht und brutal auf dem roten Tuch, das an der Berliner Volksbühne prangt. "Das hängt dort so lange, bis der Krieg vorbei ist", sagt eine Theatersprecherin. Nachts werden auf den Bühnenturm des Theaters in Berlin-Mitte außerdem wechselnde Bilder vom Alltag in Bagdad projiziert: Unübersehbar für Passanten und Autofahrer. Mit Worten und Bildern kämpfen die deutschen Bühnen gegen den Krieg im Irak.

"Vielleicht ist die Zeit der Späße und der kleinen Nabelschau vorbei", meinte Claus Peymann, Intendant des Berliner Ensembles, bereits wenige Tage vor Kriegsausbruch, "vielleicht ist eine Zeit des neuen Ernstes gekommen." Das Theater im thüringischen Nordhausen will im Mai symbolisch Trauer tragen und hält das Programmheft in diesem Monat demonstrativ in Schwarz. Die Besucher können sich außerdem in ein Kondolenzbuch eintragen, um der Opfer des Krieges zu gedenken. "Wir wollen in der Sprache unserer Kunst Protest formulieren", sagt die Sprecherin des Theaters Altenburg-Gera, wo die Schauspieler nach Kriegsbeginn Kerzen vor den Häusern anzündeten.

Spezielle Anti-Kriegsstücke wie zum Beispiel Brechts "Mutter Courage" finden sich kaum auf den Spielplänen, meist wird das Programm wie geplant fortgesetzt. Doch von Heidelberg und Mannheim über Düsseldorf bis Hamburg und Rostock wird an den Theatern bei schnell organisierten Lesungen und in Diskussionsrunden über die kriegerischen Auseinandersetzungen debattiert. Vor dem Essener Grillo-Theater erleben Vorübergehende einen besonderen Blauhelm- Einsatz: Als UN-Soldaten verkleidete Schauspieler lotsen die Menschen jeden Mittag ins Foyer zu einer Lesung gegen den Krieg. Mit Werken von der Antike bis zu aktuellen Beiträgen sollen die Besucher mit den Schrecken des Krieges konfrontiert werden.

Das Engagement der Zuschauer bleibt dabei meistens passiv. Ein am Schauspielhaus in Hannover eingerichtete "Speaker's Corner" werde bisher vom Publikum nicht angenommen, teilte die Bühne mit. Nach dem Vorbild im Londoner Hyde Park können Zuschauer dort Stellung zum Irak-Krieg nehmen. Aber: "Da ist offenbar eine Scheu vorhanden", meint eine Sprecherin. Zurzeit werde das Speaker's Corner nur von Schauspielern genutzt. Erst informieren, dann reden, heißt es beim Deutschen Schauspielhaus in Hamburg: Im Theater-Cafe laufen täglich bis Mitternacht vier Nachrichtensender, darunter auch der arabische Fernsehsender El Dschasira.

Massiven Protest gegen den Militärschlag drücken die Darsteller des Bayerischen Staatsschauspiels aus. Unter dem Transparent "Nein zum Krieg im Irak" gehen sie nach den Vorstellungen auf die Straße und diskutieren mit Theaterbesuchern und Passanten vor dem Münchner Residenztheater über die politische Lage. Vor den Aufführungen gibt es zwei Mal in der Woche Lesungen mit Texten wie Peter Sloterdijks "An den Quellen des Terrors", Michael Moores "Stupid white men" oder Michael Ehrkes "Erdöl und Strategie". Die Lesungen stoßen beim Publikum auf sehr großes Interesse, stets müssen viele Menschen auf den Treppen stehen, weil es keine Sitzplätze mehr gibt.

Um die Not der Kriegsopfer zu lindern, rufen einige Bühnen ihr Publikum auch zu Spenden auf. So zeigten unter anderem bereits Nürnbergs Theatergänger große Spendenbereitschaft. Dort wird Geld für "Ärzte ohne Grenzen" gesammelt. Das Cottbuser Staatstheater ruft zu Spenden für die Kinderhilfsorganisation UNICEF auf. Was aber bei allen Aktionen bleibt, ist die Ohnmacht. Oder wie es das vom Dach des Stuttgarter Schauspielhauses hängende Tuch mit einem Euripides-Ausspruch ausdrückt: "Törichter Mensch, der Städte niederbrennt, die Tempel und der Toten heiligen Ort verödet und dann selber untergeht."