Im Jänner 1984 führt Apple den Macintosh ein, im Dezember beschließt die Regierung das Ende der Rodungen in der Hainburger Au. Irgendwann dazwischen kommt in Graz Thondorf ein Puch Professional aus der Halle. Es wird verkauft, gefahren und geliebt. Es ist das beste Rad, das Puch je gebaut hat.

Foto: Ernst Wabek

Im November 2009 streicht Ernst Wabek über den Rahmen eines vergammelten Rades, das ihm sein Freund und Fahrradhändler im hintersten Winkel der Werkstatt zeigt. Kurz drauf muss er sich die Finger abputzen. "Das Rad war sowas von vergammelt. Richtig grauslich. Es dürfte im Wasser gestanden sein - dort, wo die Speichen in die Felgen gehen, war alles rostig. Und anscheinend war es einmal ein Malbock, oder stand zumindest in einem Raum, in dem gemalt wurde, denn es waren überall braune Farbtropfen am Rahmen", erzählt Ernst Wabek heute.

Foto: Ernst Wabek

"Das Rad war mir als Ganzes ziemlich wurscht. Der Freund hat mir das Rad gezeigt, weil er weiß, dass ich schon mehrere alte Räder zuhause habe. Aber ich mag italienische Räder - keine Puch." Warum er das Puch-Rad dann doch gegen eine Spende in die Kaffeekassa mitgenommen hat, ist schnell erklärt: "Das Rad hatte ein Campagnolo Super Record-Schaltwerk montiert. Ich wollte es einfach ausschlachten."

Foto: Ernst Wabek

Erst stand das Rad fast ein Monat im Keller. Dann kamen die Weihnachtsfeiertage, und Wabek hatte Zeit sich das Rad genauer anzuschauen. Er überlegte ob er den Rahmen weiterverwenden könnte: "Fixies sind ja grad sehr modern, da spukte es auch in meinem Kopf herum, mir eines zu bauen." Als er sich sein Rad aber genauer anschaute, entdeckte er etwas: "Die Ausfall-Enden, also der Teil, in dem die Laufräder montiert sind, waren ausgebohrte Campagnolo-Ausfall-Enden. Da schaute ich zum ersten Mal groß und merkte, dass ich da etwas Besonderes erstanden habe."

Foto: Ernst Wabek

Ernst Wabek macht sich daran, das Rad zu putzen, und als er versucht, den Lack des Rades zu reinigen, blättert dieser teilweise ab, und zum Vorschein kommt ein verchromter Rahmen. "Dann fand ich unter dem Dreck ein Pickerl mit der Bezeichnung des verwendeten Rahmenmaterials - Reynolds 531 Professional - und ich wusste, dass ich das Rad herrichten werde." Wabek poliert, beizt ab, verliert Kugeln aus Lagern, arbeitet mit Messer, Stahlwolle, speicht neu ein und poliert, poliert, poliert, als ginge es um sein Leben. "Man lernt ja beim Arbeiten selber so viel: Zum Beispiel, dass Polieren ein dreckiges Geschäft ist. Der Materialabrieb, Polierpasten und Polierscheibenfasern versauen alles und verteilen sich überall. Am liebsten als schwarze Stempelfarbe an Schuhsohlen im ganzen Haus." Sogar galvanisiert hat der gelernte Chemiker. "Da hatte ich den Vorteil, dass ich theoretisch wusste, wie es geht." Da war es dann nicht weit, das Ganze in die Praxis umzusetzen. Nur um die richtigen Bleiplatten, die als Kathoden bei der Eloxierung verwendet werden, aufzutreiben, brauchte er etwas länger, und fand sie dann bei einem Dachdecker, die regelmäßig damit arbeitet.

Foto: Ernst Wabek

Der rechte Schalthebel war verbogen - anscheinend ist der Vorbesitzer mit dem Rad gestürzt. Neben neuen alten Schalthebeln tauscht Wabek den Sattel. "Der alte Sattel ist komplett hinüber. Entweder ich erlerne jetzt noch das Sattlerhandwerk, oder ich bringe den Original-Sattel zu einem Sattler. Da bin ich mir noch nicht sicher." Und neue Aufkleber brauchte er. Die hat er zum Teil selbst gemacht und sich zum Teil aus Australien schicken lassen.

Foto: Ernst Wabek

"Ich wusste, dass ich das Rad nicht als Kopie des Originaldesigns restaurieren werde. Bei einem anderen Fahrrad wäre das vielleicht Pflicht gewesen, aber bei einem Radl aus Graz darf man ruhig innovativer sein, zumal gerade Puch nicht immer sehr glücklich bei seiner Designauswahl war." Das aktuelle Styling entstand in Anlehnung an Lackierungen von Tiziano Zullo und Gino Milani, beides berühmte italienische Rahmenbauer der 70er und 80er." Das aktuelle Styling entstand gemeinsam mit seinem Lackierer. "Auch bei der Farbwahl wollte ich mich nicht reglementieren. Farbe schränkt nicht ein und hebt das Rad von der Schwarz/Weiß/Silbernen Beliebigkeit und Langeweile aktueller Räder ab".

Foto: Ernst Wabek

Wieviele Stunden Arbeit er in das Rad gesteckt hat, weiß er nicht, „aber es waren sicher weit mehr als 100." Und ob es ein gutes Geschäft war, fragt er sich auch nicht. Die Sammlerszene für alte Räder ist überschaubar und die Käuferschar ist klein, aber verkaufen will er es ja ohnedies nicht. "Wichtiger ist mir, dass einem Rad das Fixie-Schicksal erspart bleibt und wenn alles klappt, starte ich damit im Oktober bei der l'Eroica ." (Guido Gluschitsch)

Foto: Ernst Wabek