Warnschild der IAEA vor atomarer Strahlung. Wird es auch noch in 1000 Jahren verstanden werden?

Illustration: IAEA

Wie aber lässt sich garantieren, dass Warnungen auch in fernster Zukunft verstanden werden? Sind sie überhaupt möglich?

Zehntausend Jahre sind ein Zeitraum, der uns unüberschaubar und unvorstellbar lange erscheint. Zehntausend Jahre ist aber auch der Zeitraum, über den radioaktiver Müll sicher unterirdisch gelagert werden muss. Die toxische Wirkung und die Halbwertszeit des Abfalls machen eine dauerhafte Einlagerung unumgänglich.

Abseits von technischen Machbarkeiten, moralischen Bedenken und ökologischen Einwänden stellt sich ein weiteres Problem: Wie sichert man die Endlager so, dass auch in ferner Zeit niemand unwissentlich in die Lagerstollen eindringt?

Aus diesem Grund wurde von der US-Energiebehörde bereits für rund 20 Jahren ein Projekt für überirdische Warntafeln ausgeschrieben. Sie sind für das Waste Isolation Pilot Plant (WIPP) in New Mexico geplant, und in den nächsten Jahren sollen sie aufgestellt werden. Die Gesamtkosten werden auf einen zweistelligen Dollar-Millionenbetrag geschätzt.

Das Besondere der Warnschilder: Ihre Bedeutung soll auch in allerfernster Zukunft klar sein. Das Wissen um die Gefahren soll die Lagerstätte durch die Zeit begleiten, an sie gekettet und untrennbar mit ihr verbunden, aber unabhängig von Raum und Zeit, von Umwelt und Kultur.

Auch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien hat kürzlich ein neues Warnzeichen eingeführt, das vor den gleichen Problemen steht: Eine Botschaft an einen unbekannten Empfänger zu übertragen, der alle möglichen Empfänger umfasst, ist eine enorme Herausforderung für jede Kommunikation – kaum lösbar, aber nichtsdestotrotz notwendig.

Oberirdische Warnanlage

Im Rahmen der Ausschreibung für das WIPP haben mehrere Forschergruppen eine Kombination von "archetypischen Bildern", universellen Symbolen und Schrift erarbeitet. So soll eine aus einer Reihe riesiger Monolithen bestehende Warnanlage das unterirdische Endlager schützen, unterstützt unter anderem durch Radarreflektoren und magnetischen Materialien.

Das Kernstück dieser Warnungen bilden tausende kleiner Informationsplaketten. Darauf sind ein an Munchs "Schrei" gemahnendes ängstliches sowie ein von Ekel verzerrtes Gesicht abgebildet. Dazwischen steht in verschiedenen Sprachen eine Warnung vor Gefahren. Aber Schrift und Sprache können nicht die einzige Lösung sein, denn sie ändern sich. Deshalb wird am WIPP auch eine Art Comicstrip die Botschaft verdeutlichen. Der soll auch in 400 Generationen auf Anhieb verstanden werden.

Seine Botschaft darf keinerlei Zweifel aufkommen lassen, worum es geht und was verboten ist. Sie muss auch überübermorgen so verstanden werden, wie sie heute gemeint ist. Aber genau dieses Ziel ist unerreichbar, weil es Kommunikation ist, die immer mit Unsicherheit und einem Abgrund zwischen Sender und Empfänger einhergeht. Die Tatsache, dass mit dem Kontext der Sinn einer Botschaft variiert, wird umgangen, indem Botschaften ersonnen werden, deren Sinn sich nie ändern und sich von selbst erklären soll.

Diese "kulturfreien" Zeichen sollen also gleichsam aus der Herrschaft der Konventionalität, des immer neu zu bestimmenden Kontextes und der nie eindeutigen Festschreibung herausfallen. Doch solche Zeichen widersprechen einem formalen Zeichenverständnis, indem sie den Abgrund tilgen, den sie voraussetzen.

Zeichen des Widerspruchs

Warnschilderprojekte wie das der IAEA oder des WIPP versuchen, die ihnen eigenen Paradoxien durch Konzepte zu lösen, die diese Schwierigkeiten negieren: durch Zeichen, die ihrer Zeichenhaftigkeit widersprechen, durch angeborenes Wissen, das sich in den nächsten 10.000 Jahren nicht ändert, also schlicht durch Kommunikationen, die keine Kommunikation mehr sind, weil sie feststehen: Wann auch immer dieser Ort betreten würde, ob im Jahr 2010, 3010 oder 12009: Die Zeichen würden immer das Gleiche bedeuten.

Das Problem ist unlösbar. Trotz aller Verstreuung des Sinns ist es dennoch möglich, dass die Warnungen verstanden und sogar befolgt werden. Dies läge dann aber nicht an der Verwendung kulturfreier Zeichen, sondern hätte einen anderen Grund: Wenn ein Zeichen jede mögliche Bedeutung transportiert, dann kann es vielleicht auch die gewünschte Bedeutung mitübertragen.

Ob dem im Falle der Warnschilder vor den Endlagern tatsächlich so ist, werden wir allerdings nicht mehr erfahren. (Florian Sprenger/DER STANDARD, Printausgabe, 10.03.2010)