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Anwalt Rudi Mayer fühlte sich als "Zuzügler" in Tulbing im Regen stehen gelassen. Er tritt für eine Bürgerliste zur Wahl an, um in der Gemeinde mitreden zu können.

Foto: APA/Hochmuth

St. Pölten - Rudi Mayer fühlt sich diskriminiert. Seit eineinhalb Jahren lebt der prominente Strafverteidiger, der zum Beispiel im Fall Amstetten Josef F. vertreten hat, im niederösterreichischen Tulbing (Bezirk Tulln). Mitzureden habe man dort als "Zuzügler" in der Gemeinde nichts. "Jetzt weiß ich, wie ein Ausländer sich fühlen muss", sagt Mayer. Der Anwalt möchte aber mitmischen, deshalb tritt er an zweiter Stelle für das Bürgerforum Tulbing an, das sich am Sonntag mit Spitzenkandidatin Renate Hofmann der Wahl stellt.

Die Liste bezeichnet sich als "politisch unabhängig" und tritt unter anderem für Energieautarkie der Gemeinde und einen allgemeinen Bebauungsplan ein. Seit zehn Jahren hat sie für besseres Wasser gekämpft - eine Forderung, die von der VP inzwischen umgesetzt wird.

Rechtsanwalt mit "Bürgernähe"

Ziel des Bürgerforums ist, die Absolute der VP zu knacken, mindestens zwei Mandate zu erhalten (2005 schrammte man um 13 Stimmen am zweiten Mandat vorbei) und "bürgernahe Politik" zu betreiben. Mayer ist der Meinung, "aufgrund meiner 30-jährigen Berufsausübung als Rechtsanwalt" die "Sorgen und Ängste der Menschen" zu kennen. Das Bürgerforum, das bereits 1995 gegründet wurde, hofft, durch seine Prominenz diesmal das zweite Mandat zu schaffen.

Eine weit kürzere Vergangenheit weist eine Bürgerliste auf, deren Namen auf den ersten Blick an eine russische Raumstation erinnert: Die Liste MIR in Reichenau an der Rax, die sich im Mai 2009 gebildet hat. MIR steht für "Menschen in Reichenau". Durchaus gewollt sei auch die Bedeutung des russischen Worts "Friede", erklärt Listen-Erster Herbert Weinzettl.

Auch diese Liste will die Absolute der VP (die in 400 der 573 Gemeinden in Niederösterreich den Bürgermeister stellt) fallen sehen. Man sei mit der Amtsführung des Bürgermeisters Johann Leopold Ledolter (VP) "nicht mehr zufrieden". Zumindest ein Mandat will MIR erreichen. Ursprünglich hatten vom Kurs des Bürgermeisters enttäuschte VP-Abgeordnete die Liste gegründet, inzwischen ist laut Weinzettl ein breites politisches Spektrum vertreten.

Inhaltlich widmet man sich Familienthemen und Anliegen von Jugendlichen, erklärtes Ziel ist aber auch der Abbau des Schuldenbergs der Gemeinde oder das Einbinden von Betroffenen in bauliche Vorhaben im Ort. Symbol der Liste ist eine lachende Sonne: "Wir wollen mehr Licht und Transparenz in die Politik bringen", erklärt Weinzettl.

Ein Schwein für Klosterneuburg

Ein Schwein ziert hingegen die Twitter- und Facebook-Seite der Liste SAU in Klosterneuburg. SAU steht für "Sozial, Aktiv, Unabhängig". Die Jugendliste fordert unter anderem ein Jugendzentrum und WLAN an öffentlichen Plätzen. Auf einer Online-Plattform kann gepostet werden, was man in Klosterneuburg "Unter aller Sau" findet. Da wird zum Beispiel eine City-Bike-Station für den Ort gefordert oder Live-Streaming der Gemeinderatssitzungen.

Einen nicht minder auffälligen Listennamen hat sich Helmut Halvax in Bromberg zurechtgelegt: Die Liste unter Führung des Polizeikommandanten von Bad Fischau tritt unter der Bezeichnung "Ritter von Slate" an. Der Name leite sich von der Burg Oberschlatten ab, die auf dem Hügel steht, auf dem auch Halvax wohnt. Ritterlich kommen auch die von der Liste verfolgten Ideale daher: "Mehr Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit" wolle man in die Politik bringen, sowie Mut und Tatkraft.

Außerdem will die Bürgerliste in der Politik eine Lanze für Soziales, Kultur und Umwelt brechen und weniger den Fokus auf Land- und Forstwirtschaft setzen, wie derzeit der Fall sei. Um das zu erreichen, ist auch in Bromberg erklärtes Ziel, an der Absoluten der VP zu knabbern. (Gudrun Springer/DER STANDARD-Printausgabe, 10.3.2010)