Zumindest was die Musik betrifft, ist der designierte ÖBB-Holding-Chef auf dem richtigen Gleis. Oder er war es immerhin vor einem Vierteljahrhundert. Damals liebte Christian Kern schweres Eisen, Metallica und Konsorten gehörten zu seinen Lieblingsbands. Das war für einen Studenten in den 1980ern modern und für den Sohn eines Elektroinstallateurs und einer Sekretärin aus Simmering sogar standesgemäß.

Mit dem Alter und der Karriere änderten sich Geschmack und Stil, Metallica wurden von Mozart, Green Day und Radiohead abgelöst. Sogar Deutschpop hat Platz im Leben eines Strommanagers. Damit hat sich der studierte Kommunikationswissenschafter von seinen späteren, durch die Bank in seligen Strommonopolzeiten groß und mächtig gewordenen Vorstandskollegen mit Sicherheit abgehoben.

Gestört hat es den damaligen Verbund-Chef Hans Haider nicht. Im Gegenteil, der im ehrwürdigen Siemens-Konzern sozialisierte Haider hatte erkannt, dass die aus "Bundeslastverteiler" und Wasserkraftwerken geschmiedete Verbundgesellschaft Marketing braucht, um in der liberalisierten Stromwelt zu bestehen.

So bestand die Aufgabe des 1997 als Sachbearbeiter von SPÖ-Klubchef Peter Kostelka zum Verbund gewechselten Ex-Journalisten denn auch aus Marketing. Unter Haider, einem bekennenden ÖVPler, der Kern "absolute Loyalität" attestiert, stieg der 43-Jährige zum Bereichsleiter Strategisches Marketing und Verkaufssteuerung auf, um 2000 Chef des Verbund-Stromhandels zu werden, von wo er nur zwei Jahre später an die Spitze der Austrian Power Trading wechselte.

Ein mittleres politisches Erdbeben löste dann der nächste Karriereschritt aus: der in den Verbund-Vorstand. Die Erschütterung hatte der damalige Verbund-Aufsichtsratschef Erhard Schaschl im Februar 2007 ausgelöst, indem er Kern in das bisher eher der schwarzen Reichshälfte vorbehaltene Machtzentrum des zur Gelddruckmaschine mutierten Verbunds hievte und so ein rot-schwarzes Gleichgewicht herstellte. Der Weg an die Spitze war dem Vater von drei Söhnen und einer Tochter (aus zwei Ehen) in seinem "geliebten Verbund-Job" jedoch versperrt. Um Nummer eins zu werden, beugte er sich dem SPÖ-Druck und wechselte auf den ÖBB-Schleudersitz - obwohl seine Frau im Klimafonds die Kehrseite kennengelernt hatte. Aber verwegene Abfahrten scheut er ja nicht, der Mountainbike-Downhill-Racer Kern. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, Printausgabe, 10.3.2010)