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STANDARD: Sie haben mit der Brüsseler Denkfabrik Centre for European Policy Studies ein Papier ausgearbeitet, indem der zentrale Punkt eines EWF das geordnete Verfahren bei einer Zahlungsunfähigkeit ist. Wie soll das funktionieren?

Mayer: Steht ein Staat heute vor der Insolvenz, hat er das Druckmittel zu sagen: "Ihr anderen Staaten müsst mir aus der Patsche helfen indem ihr sicherstellt, dass ich meine Schulden bedienen kann. Weil wenn ich bankrott gehe, würde das euer Finanzsystem so schädigen, dass ihr ein Riesenproblem habt." Der EWF soll hier dazwischen gehen und Anlegern Schuldtitel des Landes zu einem Abschlag abnehmen. Im Gegenzug würde der EFW Forderungen an das jeweilige Land nehmen.

STANDARD: Also eine Art Prellbock zwischen den Kontrahenten?

Mayer: Ja. Wie man die Abstriche für Anleger gestaltet, muss man noch überlegen. Man könnte sich an der Schuldenquote eines Landes orientieren. Der EWF würde versuchen, das Land wieder zurück auf den Pfad der Tugend zu bringen, indem er der Politik Auflagen macht. Widersetzt sich ein Land den Auflagen, soll der EWF die Möglichkeit haben, dem Land EU-Mittel, etwa aus dem Strukturfonds, vorzuenthalten und zur Schuldentilgung heranzuziehen.

STANDARD: Den Kredithahn zudrehen kann der IWF aber auch.

Mayer: Richtig. Der IWF zieht sich zurück, wenn alle Bemühungen gescheitert sind. Dann gibt es einen ungeordneten Default, was auch Gläubiger in Schwierigkeiten bringt und einen Dominoeffekt auslösen kann. Eine systemische Krise kann via geordnetem Verfahren abgewehrt werden.

STANDARD: Kritiker des EWF sagen, für Problemstaaten wäre das Auffangnetz der falsche Anreiz.

Mayer: Es ist genau umgekehrt. Der Anreiz ist, jetzt zu sagen, mein Problem ist ein Problem der Gemeinschaft. Denn jetzt kann es sich die Gemeinschaft nicht erlauben, dass ein Land bankrott geht. Der moral hazard existiert jetzt, der EWF soll diesen reduzieren - dadurch, dass ein Land bankrott gehen kann - aber eben geordnet.

STANDARD: Wer soll das böse Oberhaupt werden, der in solchen Fällen auf EU-Ebene durchgreift?

Mayer: Man könnte sich an der IWF-Struktur orientieren und einen Staab einrichten, der die ökonomische Analyse betreibt. Dann könnte es ein Board geben, in dem die Vertreter der Euro-Group sitzen. Der EWF könnte auch die regelmäßige ökonomische Überwachung der Mitgliedsländer der Europäischen Währungsunion (EWU) übernehmen. Und zwar weitergehend als es bisher im Rahmen des Stabilitäts-und Wachstumspakt passiert ist. Man hat die wachsenden Leistungsbilanzungleichgewichte der EWU bisher kaum beachtet. Daher wäre der EWF auch aufgerufen, umfassende ökonomische Analysen der einzelnen Länder zu machen.

STANDARD: Was voraussetzt, dass die Zahlen, die der EWF bekommt, auch stimmen, was ja ein Grundproblem bei Griechenland war.

Mayer: Absolut. Da muss sich die Politik selbst am Bein fassen. Die Politik hat die Wünsche von Eurostat, da nachzubohren, abgewiesen. Heute weiß man, dass das ein Fehler war.

STANDARD: Wie viel Geld bräuchte der EWF mindestens, um handlungsfähig zu sein?

Mayer: Nimmt man Griechenland als Orientierung, würde man auf rund 200 Milliarden Euro kommen. Wichtiger ist aber, dass man es dem Fonds ermöglicht, sich neben der Speisung durch die Mitgliedsländer auf dem Markt durch die Ausgabe europäischer Anleihen Geld zu holen. Man muss Anreize für Länder schaffen, eine solide Finanzpolitik zu fahren. Die Sünder werden zur Kasse gebeten.

STANDARD: Bei Griechenland wurde sofort auf die Staatspleite gewettet. Soll man diese Wetten verbieten?

Mayer: Würde man Spekulationen verbieten wäre das so, als ob man einem Boten untersagt, schlechte Nachrichten zu bringen. Das löst das Problem nicht. Es ist denkbar, dass Spekulationen destabilisierend wirken. Sie haben aber auch Nutzen, denn damit werden Informationen sichtbar. Stoppt man das, baut sich der Druck trotzdem auf. Man erkennt ihn nur nicht, am Ende bricht der Damm dann unerwartet. (Bettina Pfluger, DER STANDARD, Printausgabe, 10.3.2010)