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Wortgewaltiger Malerfürst debattiert über seine Ideale und den Unterschied zwischen Malerei, Dekorationskunst und Fotografie: Markus Lüpertz, zu Gast in der Wiener Albertina.

Foto: dpa

Wien - Alles lief wie geplant: Markus Lüpertz dominierte das Podium. Akademierektor Stephan Schmidt-Wulffen hielt sich tapfer im Dagegenhalten. Maria Rennhofer erledigte brav ihren Moderatorenjob, brachte das Nötigste ein, ihre Anwesenheit zu rechtfertigen. Und Lüpertz konnte aus seinem Repertoire schöpfen, seinen Handapparat an längst vorbereiteten Statements gewohnt souverän anbringen. Das Publikum applaudierte dankbar.

Wie das eben so ist bei einer Folkloreveranstaltung: Der Hausherr lobt den fürstlichen Gast, dessen Glanz ihn auch ein wenig mitstrahlen lässt, die Moderatorin beginnt mit dem offensichtlich Unvermeidlichen, der Frage nach dem Bösen im Stahlhelm im Bild.

Und Lüpertz eröffnet routiniert: Maler sei er, Ausführender und also nicht für Inhalte verantwortlich, die bringe der Betrachter ins Bild, sofern es solche Leute heute noch gebe, aber egal, weil das, worauf es ja doch einzig ankomme, die Fähigkeit sei, Malerei lesen zu können. Diese Fähigkeit sei am Aussterben, weil die Fotografie und die Videos und all das, was er auch als Kunst durchgehen lässt, eben hierarchisch weiter unten angesiedelt sind, kleiner als die große Malerei.

Derlei genügt, die staubige Party in Fahrt zu bringen. Schmidt-Wulffen streut darauf hin eine Prise sentimentales 1968er-Glaubensbekenntnis von Verantwortung ein, Lüpertz sagt, es gäbe keine Philosophen mehr. Wer sich heute als Philosoph bezeichne, denke bloß über andere Philosophen nach, nicht aber aufgabengemäß über das Leben. "Am schlimmsten sind die Sozialphilosophen", sagt er und - dramaturgische Pause: "Da lachen ja die Hühner!

Dekorationsunternehmer

Jedenfalls lacht der bürgerliche Anteil des Publikums im gepimpten Musensaal, und die vereinzelten Studenten von heute feilen in der Adorantenversammlung an prospektiven Wutausbrüchen für den Publikumsteil der Veranstaltung. Lüpertz redet über Malerei und wird traditionell missverstanden, was er selbstverständlich weiß, weshalb der Spielball immer am Fürstenfuß kleben bleibt.

Klar waren das große Künstler, sagt er, der Warhol und der Buren und der Serra, aber eben keine Maler. Und klar ist das toll, was ein Jeff Koons macht - diese Luftballons aus Edelstahl, die weitaus hübscher sind als die echten - aber Leute wie Koons seien eben Dekorationsunternehmer, Zulieferer für einen Kunsthandel, der sich selbsttätig nicht mehr umsieht in den Ateliers und Akademien, dem vielmehr zugearbei- tet, maßgefertigte Ware für den Preiskampf zu Füßen gelegt wird.

Und, sagt der Malerfürst, das Recht seine Disziplin, die Malerei, zu verteidigen, hätte er ja wohl. Und noch das größte und erstaunlichste Foto wäre flach: Nur Oberfläche, keine Struktur, nicht zu vergleichen mit Malerei, die das Licht ganz anders fängt, zurückwirft. Fotografie wäre immer nur Wiedergabe, niemals aber Erklärung.

Brauchtum lebt

Was immer wir über Geschichte wissen, hat die Malerei uns eröffnet. Ein Foto, das dann ohnehin gefakt ist (siehe Claudia Schiffer im Original, wäre früher oder später so langweilig wie eine Tapete: "Es hält nicht!" )

Und - natürlich hat Lüpertz damit recht - es ist die Aufgabe des Künstlers als Staatsbürger, soziale Verantwortung zu übernehmen. Wenn dem Bild zur Rechtfertigung seiner selbst soziale Verantwortung, pädagogischer Unsinn, abverlangt wird, dann, genau: "Da lachen ja die Hühner!" Sprach's, bedankte sich für die Aufmerksamkeit und wandte sich dem rituellen Katalog-Signieren zu. Das Brauchtum lebt. Alle sind glücklich.Jetzt kann in den Olymp vorgedrungen, können Markus Lüpertz' malerische Metamorphosen der Weltgeschichte auf Papier begutachtet werden. Ein Stahlhelm ist auch darunter. (Markus Mittringer, DER STANDARD/Printausgabe, 10.03.2010)