Gehen wir einmal davon aus, dass Unternehmen nicht automatisch böse sind und der Einzelne nicht nicht automatisch gut.

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Was es braucht, um in der neuen Welt des Arbeitens den Verstand zu behalten. Gedanken zum Unternehmen 2.0,
Teil 2

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Gehen wir einmal davon aus, dass Unternehmen nicht automatisch böse sind und der Einzelne
nicht automatisch gut. Gehen wir davon aus, dass dieser – klassischerweise von linker Seite – postulierte Gegensatz nicht mehr stimmt, oder zumindest nichts mehr dazu beiträgt, wenn es um Einsicht in die Transformationen geht, die uns in dieser Zeit bewegen.

Und sehen wir Unternehmen als Gebäude aus Menschen, die bestimmte Ideen teilen und andere nicht. Je mehr nun das, was sie teilen, mit den Unternehmensperspektiven zu tun hat, umso größer ist die Chance, dass das Projekt „Unternehmen“ erfolgreich ist. Der große Unterschied zu früher ist, dass es sich bei diesen Arbeitsverhältnissen nur mehr in seltenen Fällen um Lebensbeziehungen handelt, sondern eher um kurzfristige Zweckgemeinschaften, in denen Loyalität meist von jenen gefordert wird, die tendenziell am kürzeren Ast sitzen. In dynamischen Märkten gehört es umgekehrt heute in vielen Fällen zu einer Karriere, dass man oft und zum richtigen Zeitpunkt den Arbeitsplatz wechselt.

„Es ist frappant was in den letzten Jahren passiert“, meint Michael Bartz von der Information Worker Group bei Microsoft Österreich im VIDEO-Interview, der auch aufgrund seiner Consulting-Vergangenheit weiß, wovon er spricht. „Unternehmen fragmentieren sich so sehr, dass es mitunter schwer fällt zu bestimmen, was ein Mitarbeiter ist. Ist es der fest Angestellte oder ist es der Zeitarbeiter, der vorübergehend an Bord kommt? Ist es der Consultant, der dich berät und begleitet oder ist es die Freelancerin, die kurzfristige Projekte abwickelt. Ist es der Systemlieferant, der sehr eng in das Unternehmen eingebunden ist oder ist es der IT-Experte eines Service Providers, der das längst ausgelagerte Rechenzentrum betreut?“

Während sich Unternehmen die Frage stellen, wie sie diese nebulöse Mitarbeiterwolke produktiv halten können, ist der Einzelne zunehmend damit beschäftigt, die Rahmenbedingungen so zu definieren, dass er diese dynamische Verschwommenheit kreativ nutzen kann und sie ihn nicht umgekehrt kaputt macht. Das ist alles andere als selbstverständlich, wenn es keine festen Unternehmensgrenzen mehr gibt, keine festen Arbeitszeiten, keine feste Entlohnung (weil die Erfolgsanteile heute über die Höhe des Einkommens entscheiden) und in vielen Fällen nicht einmal mehr einen persönlichen Schreibtisch, auf dem man sein Kaffeehäferl vergessen und Schimmelkulturen züchten kann. 

In einer solchen Situation ist unternehmerische Verantwortung gefragt, genauso wie die Verantwortung des Einzelnen. Alles auf Heraklit abzuwälzen und zynisch zu behaupten, dass eben „alles fließt“ ist aus Unternehmersicht zu wenig. Genauso unpassend ist die Reaktion des Einzelnen, 24 Stunden am Tag und 7 Tage die Woche verfügbar zu sein, nur weil  man sich heute immer und überall verbinden und austauschen kann. Goldene Nasen sind schnell verdient, Burnouts ebenso. Wer heute ernsthaft behauptet, dass unsere Zukunft nur „always on“ sein kann, ist ungefähr so dienlich (und gefährlich) wie ein Fahrlehrer, der erklärt, dass ein Auto sich nur dann bewegt, wenn man am Gas steht.

Das grenzenlose Web hat das Kommando übernommen. Jeder ist mit jedem verbunden – und das über höchstens sechs Ecken (Six Degrees of Separation). Ist es Zufall, dass heute selbst Unternehmen immer mehr den Netzen gleichen, die sie nutzen? Dass in dem Moment, in dem dank neuer Virtualisierungstechnologien Plattform- und Systemgrenzen überwunden werden, auch Unternehmensgrenzen porös werden? Und dass im Zeichen des sogenannten Utility-Computing IT als Service verfügbar wird wie der Strom aus der Steckdose und gleichzeitig die alten Ideologiegegensätze verschwinden?

Wir nutzen heute Ressourcen und Anwendungen, wie es uns gefällt. Und wir netzwerken, was das Zeug hält. Zuhause, unterwegs und eben auch in der Arbeit. Damit müssen sich Unternehmen abfinden, wenn sie sich nicht ins Abseits manövrieren wollen. Aggregatoren wie Google Buzz und Microsoft Social Outlook Connector zeigen, dass die sozialen Medien in nächster Zukunft Teil der neuen Arbeitswelt sein werden – ob es Unternehmen passt oder nicht. Die Frage ist, wie sie mit dieser Öffnung technisch, organisatorisch und rechtlich umgehen. Ideologische Vorbehalte sind dabei jedenfalls schlechte Ratgeber.

Übrigens: dieser Artikel wurde auf einem MacBook Pro geschrieben. „Na sehen Sie!“, höre ich Sie ausrufen. Doch lassen Sie mich ausreden: auf einem MacBook Pro mit Windows 7. Das Ganze nennt sich Dual-Boot-System und markiert auf seine Weise das Ende der Ideologien.