"Le repos des modèles" (1905) von Felix Valloton: Außerhalb der Schweiz ist der Maler vor allem den Lesern von Martin Suters Roman "Der letzte Weynfeld" bekannt.

Foto: Kunstmuseum Winterthur

Salzburg - Gelegenheiten, Kunst aus der Schweiz zu zeigen, lässt der Direktor des Museums der Moderne Salzburg, der Schweizer Toni Stooss, nicht ungenutzt. Markus Raetz, Paul Klee, Karl Geiser, Balthasar Burkhard sind in den knapp fünf Jahren seiner Direktion gezeigt worden. Vor wenigen Tagen erst ging die große Kirchner-Retrospektive mit Schwerpunkt auf Werken aus Kirchners Schweizer Jahren zu Ende. Ihr folgt nun ein Teil der rund 1600 Gemälde und Skulpturen umfassenden Sammlung des Kunstmuseums Winterthur, das wegen Baumaßnahmen seit 2008 geschlossen ist und im Herbst 2010 wieder eröffnet wird.

Alle wichtigen Epochen und Strömungen seit dem französischen Impressionismus sind - räumlich abgegrenzt - zu sehen, die einzelnen Künstler mit Schlüsselwerken innerhalb ihres Œuvres repräsentiert: Vincent van Gogh mit dem Postboten Joseph Roulin; Pierre Bonnard mit südlichen Landschaften in frühlingshafter Frische; Paul Klee mit Blühendes - Blütengebilde, die sich in den strengen Raster von Quadraten auflösen; Fernand Léger mit Balkon, Brancusi mit Danaide aus dem Jahr 1913.

Gerade dieser Kopf hat im Kunstverein Winterthur, der Träger des Museums und Eigentümer der Sammlung ist, 1951 eine grundsätzliche Diskussion unter den Mitgliedern ausgelöst: Ob in Winterthur überhaupt abstrakte Kunst gesammelt werden sollte. Der Streit wurde zugunsten der Abstrakten entschieden. Ein Jahr später spaltete der Ankauf von Oskar Kokoschkas Bildnis Hugo Caro - obwohl nicht abstrakt - die Meinungen. Außer Kokoschka sind keine anderen Österreicher in der Ausstellung. Hermann Nitsch, Günter Brus und Adolf Frohner gehören zwar der Sammlung an, mussten aber, da man sich in dieser Ausstellung auf die Schwerpunkte des Hauses konzentrierte, zu Hause im Depot des Kunstmuseums Winterthur bleiben.

Weltberühmte Künstler

Dessen Direktor Dieter Schwarz benennt die großen Gruppen der Sammlung: Nach den ersten fünfzig Jahren mit lokaler Ausrichtung wollten die Sammler Georg Reinhart, Arthur Hahnloser und Richard Bühler das Museum aufwerten und investierten in Spitzenwerke des französischen Impressionismus; Die Avantgardisten des frühen 20. Jahrhunderts - Pablo Picasso, George Braque, Fernand Léger, Wassily Kandinsky - kamen erst durch die Schenkung des Sammlerpaares Clara und Emil Friedrich-Jezler dazu. In den letzten Jahrzehnten konzentrierte sich schließlich die Sammeltätigkeit auf die neuere amerikanische Kunst: Philip Guston, Mark Tobey, John Chamberlain, Richard Tuttle, Brice Marden und Robert Mangold ist auch ein großer Bereich der Ausstellung gewidmet. Italien ist mit Nachkriegskunst von Lucio Fontana über Arte Povera bis zu gegenwärtigen Arbeiten vertreten. In einem eigenen Raum ausgestellt sind Gemälde Giorgio Morandis, von dem Winterthur außerhalb Italiens die größte Sammlung besitzt.

Wahrlich gelungen ist die Gegenüberstellung skulpturaler Werke: Medardo Rosso, dem in der bronzenen Halbfigur Henri Rouart die Realisierung des eigenen impressionistischen Anspruchs "Bewegtheit und Vereinigung von Licht, Raum und Luft" gelungen ist, wird mit dem großen expressiven Gegenspieler Pierre Rodin konfrontiert.

Schweizer Entdeckungen

Wiewohl die meisten der ausgestellten Künstler weltberühmt sind und sich mit ihren Namen klare Vorstellungen ihrer Malerei und Bildhauerei verbinden, ist dennoch kaum ein Werk dabei, das man hierorts schon einmal hätte sehen können.

So ist wohl der dekorative Stil Ferdinand Hodlers bekannt; seine Selbstbildnisse aber und die präzise erfassten, symbolistischen Berglandschaften gehören zu jenem Teil der riesigen Schau, der zu überraschen vermag - wie überhaupt die Kunst der Schweizer. Zu entdecken ist etwa Felix Vallotton, wie Hodler um die 1880er-Jahre Mitglied einer rebellischen Künstlergruppe namens Nabis; doch, soferne man nicht Martin Suters Roman Der letzte Weynfeld gelesen hat, ein weitgehend Unbekannter. Auch die Schweizer Landsleute Niklaus Stoecklin und Adolf Dietrich sind als Maler der Neuen Sachlichkeit im Ausland kaum bis gar nicht in Erscheinung getreten, ebenso Max Bill, der einzige gebürtige Winterthurer, als Vertreter der Konkreten Kunst. Nur Alberto Giacometti gehört nicht erst seit der Rekord-Auktion Anfang dieses Monats, als seine Skulptur L'homme qui marche I um mehr als 72 Millionen Euro versteigert wurde, zum Bildungskanon.

Mit einem kleinen Iglu aus Zweigen,Kittmasse, Papier und Acrylmasse bekommt für die Dauer des Winterthur-Gastspiels auch ein von der Salzburg Foundation im öffentlichen Raum finanziertes Kunstwerk eine museale Entsprechung: Eigens für denMönchsberg hatte der italienische Arte-Povera-Künstler Mario Merz noch kurz vor seinem Tod 2003 einen sieben Meter hohen Iglu aus zwölf gebogenen Edelstahlrohren gestaltet.

Die 21 Neonzahlen, die seither nachts über der Stadt leuchten, entnahm Merz dem Zahlensystem des mittelalterlichen Mathematikers Fibonacchi, der darin den Gradmesser für die Geschwindigkeit sich fortpflanzender Kräfte erkannte. Und Mario Merz ein Symbol der Unendlichkeit. (Gudrun Weinzierl, DER STANDARD/Printausgabe, 09.03.2010)